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Philippinen: Der Neue aus der Höhle

Unsere Vorfahren müssen ihnen noch begegnet sein. Als die Trupps des Homo sapiens von Afrika aus nach Südostasien vorstießen, lebten auf den Philippinen Verwandte. Zu
dieser Zeit, vor rund 67.000 Jahren, war die Insel Luzon die Heimat einer bislang völlig
unbekannten Art der Gattung Homo.

Deren Überreste haben Anthropologen in einer Kalksteinhöhle in der Provinz Cagayan entdeckt. Seit 2007 gräbt das französisch-philippinische Forschungsteam von Florent Détroit und Armand Salvador Mijares in der Callao-Höhle. Bis 2015 bargen die Wissenschaftler Hand- und Fußknochen, einen Teil eines Oberschenkels und Zähne aus dem Höhlengrund. Die Überreste stammen von mindestens drei kleinwüchsigen Individuen – Erwachsenen und Kindern. Sie weisen sowohl primitive als auch moderne Merkmale auf.

Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift
Nature.
Die Unterschiede zu anderen menschlichen Spezies (inklusive des Homo sapiens und des auf der Insel Flores vor über zehn Jahren entdeckte Homo floresiensis) seien so klar, dass man diesen frühen Menschen einen neuen Namen zubilligen müsse: Homo luzonensis bereichert die Verwandtschaft von uns modernen Menschen. Aber reichen die Unterschiede aus, um gleich eine neue Spezies zu begründen?

Dafür hat in der Vergangenheit schon weit weniger gereicht. Nicht immer hatten solche Einordnungen Bestand, und oft gab es deswegen endlosen Zank unter den Gelehrten.

Interessanter ist, wer die frühen Asiaten waren. Und in welcher Beziehung sie zu den anderen archaischen Menschen standen. In Eurasien lebten damals Neandertaler. Zwischen Südsibirien und vermutlich Südchina zogen zu dieser Zeit die Denisovaner umher, die trotz ihrer weiten Verbreitung heute in der allgemeinen Wahrnehmung kaum bekannt sind.

Von diesen beiden Cousins des modernen Menschen kennen die Wissenschaftler das gesamte Erbgut, präzise rekonstruiert aus Knochen- und Zahnmaterial. In den Genomen heutiger Menschen finden sich noch immer klare Spuren der damaligen Vermischung sowohl mit den Neandertalern als auch den Denisovanern. Zudem entdeckten Genetiker in rekonstruierten Genomdaten der Denisovaner weitere Relikte, die auf Sex mit Fremden hinweisen: Diese “Ghosts”, ein weiteres geheimnisvolles Volk archaischer Menschen, müssen damals in den Weiten Asiens gelebt haben. Die exakten Verwandtschaftsgrade zu ergründen wird schwierig sein. Wie bei den Hobbits auf der Insel Flores fehlt in den Gebeinen des Homo luzonensis infolge des heißen Klimas jede Spur von Erbmolekülen.

Diese beiden Inselpopulationen, vermutet der britische Paläoanthropologe Chris Stringer vom Natural History Museum in London, dürfte eine ähnliche evolutionäre Geschichte verbinden. Entweder seien beide Abkömmlinge des afrikanischen Frühmenschen Australopithecus oder Nachkommen des Homo erectus, der einst aus Afrika auswanderte. Mit dem Fund von Luzon, sagt Stringer gegenüber der
ZEIT,
gebe es nun wieder ordentlich Stoff für Kontroversen.

Unstrittig ist dagegen, dass die archaischen Filipinos bereits waghalsige Seefahrer gewesen sein müssen. Denn zwischen dem südostasiatischen Festland und ihrer insularen Heimat verläuft die sogenannte “Wallace-Linie” – wie ein maritimer Sperrriegel schneidet dieser ozeanische Graben seit langer Vorzeit den Landweg zu den Philippinen ab, egal wie niedrig der Meeresspiegel jeweils gewesen sein mag. Wie immer er es bewerkstelligte – Homo luzonensis muss seine Heimat ursprünglich per Schiff erreicht haben.

Genützt hat ihm die nautische Kunst nichts. Er teilte das Schicksal aller archaischen Ureinwohner der Kontinente. Die Ankunft des Homo sapiens überlebten sie alle nicht.

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