Zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt wird die weltweite Getreideernte nicht reichen, um den Bedarf der Weltbevölkerung zu decken.
Das sagen die UN-Welternährungsorganisation (FAO) in Rom und der Internationale Getreiderat (IGC) in London voraus. Im Agrarjahr
2018/19 werden demnach knapp 30 Millionen Tonnen mehr verbraucht, als
geerntet, schätzt die FAO in ihrer jüngsten Prognose. Die
erwartete Gesamternte rund um den Globus beziffern die UN-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf
fast 2,66 Milliarden Tonnen.
Eine Ursache des aktuellen
Rückgangs ist die Dürre des vergangenen Jahres in weiten Teilen Europas, die Einbußen bei der Weizenernte in der EU und Russland zur Folge hatte.
Die Folgen des knappen
Weizens sind in Europa bereits zu spüren: Die Erzeugerpreise für
Lebensmittel – also die Preise, die die Hersteller verlangen – sind laut
Bundesverband der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) im Januar und
Februar im Vergleich zum Vorjahr kaum gestiegen. Doch bei Brot und
Getreideerzeugnissen legten die Erzeugerpreise in Deutschland um 6,3 Prozent zu, wie der Verband auf Anfrage mitteilte. Schon
2018 gab es im Durchschnitt bei Brot und Getreideprodukten größere Preiserhöhungen als
bei anderen Lebensmitteln.
Weizen ist
überwiegend für den menschlichen Verzehr bestimmt, während der größere
Teil der Maisernte für die Produktion von Futter für Rinder, Schweine
und andere Nutztiere verwendet wird.
Europas größter Händler von
Agrar-Rohstoffen ist die Münchner Baywa. Deren Vorstandschef Klaus-Josef Lutz vermutet, dass sich der Klimawandel bemerkbar macht. 2018 fiel die
europäische Getreideernte dürrebedingt um sechs Prozent niedriger aus
als im Vorjahr. “2018 war nicht der Ausreißer”, sagte Lutz kürzlich
dazu. “Das ist das dritte und vierte Jahr in Folge, dass klimatische
Kapriolen uns das Geschäft schwer machen.”
Die weltweiten Getreidespeicher sind noch gut gefüllt
Ein Minus bei der
Getreideernte bedeutet nicht, dass Hungersnöte drohen: Die Lagerhäuser
und Speicher rund um den Globus sind gut gefüllt. In den Vorjahren war
die Getreideproduktion kräftig gestiegen. Bei dieser Entwicklung spielt
nach Einschätzung der Baywa der wachsende globale Appetit auf Fleisch
eine wichtige Rolle. “Die Wahrheit ist einfach: Die Menschen wollen mehr
Fleisch essen, damit brauchen wir Getreide”, sagte Vorstandschef Lutz
dazu. “Wir sehen, dass wir einerseits eine rückläufige Produktion, und
andererseits einen höheren Verbrauch haben.”
In der Tat: “Wir
haben in den vergangenen zehn Jahren einen ziemlich kräftigen Anstieg
der weltweiten Maisproduktion”, sagte FAO-Ökonom Abdolreza Abbassian in
Rom. Er nennt zwei Ursachen: “In den USA ist der Maisanbau für die
Produktion von Biokraftstoffen ausgeweitet worden.” Und auf der anderen
Seite des Pazifiks essen die Chinesen mehr Fleisch.
Die
Ausweitung der Maisproduktion hat nach Abbassians Worten aber keine
wesentlichen Auswirkungen auf den Weizenanbau und damit die Herstellung
von Lebensmitteln. “Mais und Weizen wachsen an unterschiedlichen Orten
und zu unterschiedlichen Zeiten”, sagte der FAO-Experte.
Der
Internationale Getreiderat in London geht davon aus, dass die weltweiten
Vorräte sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr schrumpfen werden.
Die Londoner Fachleute prophezeien für 2018/19 eine etwas größere
Schrumpfung der Lagerbestände um 44 Millionen Tonnen, für 2019/20
rechnen sie mit einem weiteren Rückgang von 28 Millionen Tonnen. Das letzte globale
Getreide-Defizit gab es im Agrarjahr 2012/13, als die US-Farmer unter
den Folgen einer mehrjährigen Dürre litten.
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