Wie kann Bildung inklusiver, gerechter und motivierender gestaltet werden? Beim Z2X Summit in Hamburg diskutierten junge Lehrer, Expertinnen und Gründer über die Zukunft.
5. April 2019, 19:13 Uhr
Eine digitale Plattform, die überlasteten Kitas hilft. Ein Bildungsfestival für benachteiligte Jugendliche. Und ein Gaming-Ansatz, mit dem Mathenoten besser werden. Auf Einladung von ZEIT ONLINE trafen sich an diesem Freitag 100 Visionärinnen und Visionäre im Alter zwischen 20 und 29 Jahren bei Z2X Bildung in Hamburg. In Blitzvorträgen, Frag-mich-alles-Sessions und Workshops entwickelten sie Ideen, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Zukunft besser lernen können.
“2019 haben wir mit den Z2X Summits ein neues Format erfunden”, sagte Maria Exner, stellvertretende Chefredakteurin von ZEIT ONLINE, zur Eröffnung der Veranstaltung. Die Summits konzentrierten sich innerhalb der Festivalreihe Z2X auf je ein Thema. Z2X Digital fand bereits am 22. März in Berlin statt, am 26. April folgt Z2X Europa, ebenfalls in Berlin. In Hamburg stand die Frage im Mittelpunkt, wie das Bildungssystem inklusiver, gerechter und motivierender gestaltet werden kann.
Eine Vision in fünf Minuten
Zu Beginn präsentierten drei junge Expertinnen ihre Vision für bessere Bildung in je einem fünfminütigen Blitzvortrag. Ryan Plocher ist Lehrer an der Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln. Er fordert, das Gymnasium abzuschaffen und stattdessen eine Schule für alle einzuführen. “Was wir brauchen, ist Kooperation statt Konkurrenz, Akzeptanz statt Abstiegsangst, individuelle Förderung statt Leistungsdruck”, sagt Plocher. “Für die Zukunft lernen wir am besten gemeinsam.” Clara Schaksmeier ist ausgebildete Berufsschullehrerin und arbeitet inzwischen als Projektreferentin in einem Bildungsunternehmen. Sie fordert alle Lehrerinnen und Lehrer auf, etwas von der Welt zu sehen, bevor sie unterrichten. “Wer lehren will, muss reisen”, sagt Schaksmeier. Die Gründerin und Filmemacherin Marlen Klaws hat während der Recherche für einen Film zwei Schulen in San Francisco und Kopenhagen besucht, die von Schülerinnen und Schülern mitgestaltet wurden. Sie sagt: “Wenn wir Bildung neu erfinden wollen, dann müssen wir bei den Klassenzimmern anfangen.”
Im Anschluss kam Faruk Tuncer für ein Frag-mich-alles auf die Bühne. Tuncer ist Mitgründer und Geschäftsführer von Polyteia, einem Start-up, das Städte und Gemeinden bei der besseren Organisation von Kitas und Schulen unterstützen soll. Wo gibt es freie Plätze? Wo besteht ein Engpass, weil gerade ein Kindergärtner gekündigt hat? Es würden zwar überall Daten erhoben, mit denen solche Fragen beantworten werden könnten, aber sie würden oft nicht genutzt, sagt Tuncer. Polyteia soll das ändern, indem es Daten aggregiert und sie zum Beispiel Bürgermeisterinnen in Echtzeit zur Verfügung stellt. Denn: “Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, dann kann man auch keinen Unterricht machen”, sagt Tuncer.
Ein Baukasten für die Zukunft
Im weiteren Verlauf des Vormittags und am Nachmittag arbeiteten die Teilnehmenden an konkreten Ideen, um Bildung in Deutschland und auf der ganzen Welt besser zu machen. Anna Meister stellte ihr Projekt ZukunftsBauKasten (ZuBaKa) vor. Es soll Jugendlichen, die neu nach Deutschland kommen, dabei helfen, anzukommen – in der Schule, aber auch im Alltag. Der wichtigste Baustein des ZuBaKa: sprachsensible Berufsorientierung. Denn: “Oft sind die Schülerinnen und Schüler, die neu sind, die einzigen, die kein Betriebspraktikum durchlaufen”, sagt Meister. Momentan arbeiten sie und ihr Team mit sieben Schulen in Frankfurt zusammen, bald soll Darmstadt dazukommen.
“Raus aus der akademischen Blase!”, forderten Lasse Paetz, Anne Lill und Julian Michels in ihrem Workshop. Viele Bildungsprojekte seien Veranstaltungen von Akademikern für Akademiker. Deshalb organisieren die drei ein Bildungsfestival speziell für benachteiligte Jugendliche. Die Teilnehmenden können sich dort zu Nachhaltigkeit, Diversität und Persönlichkeitsentwicklung weiterbilden und Vorbilder aus der Politik, dem Sozialunternehmertum und der Bildungslandschaft treffen. Wie sie es schaffen, die soziale Bubble aufzubrechen, erklärten Paetz, Lill und Michels in Hamburg. Ein wichtiger Punkt: Sie lassen die Schülerinnen und Schüler das Festival aktiv mitgestalten und übertragen ihnen Verantwortung.
Gendersensibilität und Gaming
Gender-Awareness-Trainerin Julia Wirth diskutierte in ihrem Workshop mit den Teilnehmenden, wie Bildungsangebote gendersensibel gestaltet werden können. An vielen Schulen werde das Gefühl, reinpassen zu müssen, verstärkt, sagt Wirth. Lehrkräfte seien oft nicht für Genderthemen sensibilisiert: Sie würden Schüler in geschlechtergetrennte Gruppen teilen oder Rollenbilder verstärken, mit Geschlechtern jenseits von männlich und weiblich könnten viele gar nichts anfangen. Doch die Schule sei der Ort, wo genau diese Probleme angegangen werden müssten, sagt Wirth. “Sexuelle Aufklärung bedeutet auch an Schulen zu sagen: Vielfalt ist okay.”
Ilay Elaha Mahbub sprach bei Z2X Bildung über ihren Versuch, das Lernen in ein Game zu verwandeln. Sie habe festgestellt, dass Lernziele für Schülerinnen und Schüler oft nicht greifbar seien. Deshalb falle es ihnen schwer, sich fürs Lernen zu motivieren. Bei Games wie Fortnite sei das ganz anders, dafür könnten sich viele Jugendliche immer motivieren. Deshalb versucht Mahbub jetzt, beide Welten zu kombinieren. Der Name ihres Games: Alpha Flow. Die Idee: Wenn ein Schüler eine Matheaufgabe gelöst oder Vokabeln gelernt hat, bekommt seine Spielfigur Coins – ein direkter Reward, der die Motivation steigern soll. Was Mahbub noch braucht? Die Expertise von Lehramtsstudierenden und Pädagogen, sagt sie. Ein paar saßen bei ihrer Gesprächsrunde bei Z2X im Publikum.
Nach welchen Regeln wir als Veranstaltende über das Festival und unsere Weltverbesserer-Community Z2X berichten, lesen Sie hier. Bewerbungen für Z2X Europa sind noch für kurze Zeit hier möglich.
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