/Ultraschall in der Schwangerschaft: Kein Babykino, bitte!

Ultraschall in der Schwangerschaft: Kein Babykino, bitte!

Erst ist es nur ein schwarz-weißes Bildrauschen, dann werden die Konturen
langsam klarer. Hier sind die Händchen, dort die Füßchen, da das Gesicht. Der Moment, in dem
sie zum ersten Mal ein Ultraschallbild von ihrem Kind sehen, ist für viele Schwangere
unvergesslich. Traditionell gibt der Frauenarzt das ausgedruckte “Foto” nach der Untersuchung
mit nach Hause. So war es über Jahrzehnte. Manchen Frauen aber reicht das nicht mehr. Sie
wollen ihr ungeborenes Kind öfter sehen – am liebsten groß, in 3-D – und es der ganzen Familie
zeigen. In letzter Zeit ist es daher immer populärer geworden, sich Ultraschallbilder und
ganze Videos vom Ungeborenen anfertigen zu lassen – auch ohne medizinischen Anlass.

Anbieten kann solches “Baby-TV” oder “Baby-Viewing” prinzipiell jeder. Im Internet finden sich Offerten von Heilpraktikern und Hebammen, aber auch von Ärzten. Einige werben sogar mit Ultraschall-Flatrates. Mancherorts steht gleich ein ganzes Arsenal an Sesseln bereit, in denen Freunde und Verwandte zuschauen können, wie ein 3-D-Bild des Kindes live auf eine Leinwand projiziert wird. Mitunter dauert das Spektakel länger als eine halbe Stunde. Ein niederländisches Unternehmen verleiht sogar tragbare Ultraschallgeräte an Schwangere, drei Tage kosten 69 Euro. Laut der Internetseite kann man damit neunmal zehn Minuten schallen. Auf der Website heißt es: “Zurücklehnen, Kerzen anzünden und genießen!” Beim Paket “Gemeinsam” erwirbt man gar 63 Sitzungen innerhalb von 21 Tagen für 109 Euro.

Doch die Kassen der Anbieter werden nicht mehr allzu lange klingeln. Die neue Strahlenschutzverordnung verbietet ab Ende 2020 Ultraschall in der Schwangerschaft “zu nichtmedizinischen Zwecken”. Dazu gehören ausdrücklich “Erinnerungsfilme von ungeborenen Kindern” ohne medizinische Notwendigkeit. So weit, so klar – sollte man meinen. Wäre da nicht die Begründung.

In der Strahlenschutzverordnung ist von einem “potenziellen Risiko für das Ungeborene” durch Ultraschall die Rede. Das Problem: Das bald verbotene “Babykino” und die in den Mutterschaftsrichtlinien empfohlenen Ultraschalluntersuchungen werden prinzipiell mit den gleichen Geräten durchgeführt. Nach der Logik der neuen Verordnung müssten also auch diese Regeluntersuchungen potenziell gefährlich für das Ungeborene sein. Seit Jahresanfang haben diverse Medien über das Ende des “Babykinos” berichtet, oft in Verbindung mit der Begründung, es könne dem heranwachsenden Kind schaden.

“Durch die Begründung in der Strahlenschutzverordnung gerät die Methode Ultraschall in Verruf”, sagt Kai-Sven Heling. Der Gynäkologe ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin und arbeitet in einer großen Praxis für Pränatalmedizin in Berlin. “Seitdem die neue Regelung bekannt geworden ist, fragen mich deutlich mehr Patientinnen, ob Ultraschall ihrem Kind schaden kann”, sagt Heling. Zwar stehe auch er dem “Baby-Viewing” kritisch gegenüber. “Für mich ist die Gefahr dabei aber nicht der Ultraschall selbst, sondern dass eine qualitativ schlechte Untersuchung durchgeführt wird und dadurch eventuelle Probleme beim Kind übersehen werden.” Der Arzt befürchtet, dass manche Frauen nach einer “Babykino”-Vorführung auf medizinische Ultraschalluntersuchungen verzichten könnten – in dem Glauben, mit dem Kind sei schon alles in Ordnung. Deshalb sagt Heling: “Wenn der Gesetzgeber das ›Babykino‹ verbieten will, muss er das anders begründen und darf nicht die Methode Ultraschall als gefährlich hinstellen.”

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