“Das ist ganz normale Routine”, heißt es im Kölner Tatort: Bombengeschäft (WDR-Redaktion: Götz Bolten) einmal. Ein Satz, der diese Folge treffend beschreibt – und das gleich auf zweifache Weise. Nämlich einerseits als Routine des ARD-Sonntagabendkrimis, ein nicht übermäßig spannendes Spiel mit mehreren Leuten zu treiben, die sich verdächtig machen. Dass diese Routine als “ganz normal” attributiert wird (Was soll sie sonst sein?), zeugt andererseits von der umständlichen Sprache, die hier als Dialogmaterial Verwendung findet.
Ein Bombenentschärfer ist ums Leben gekommen, allerdings nicht beim Entschärfen einer Bombe, sondern durch eine Handgranate, wie sich herausstellt. Im Zuge der Ermittlungen treffen Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Fab Five Freddy (Dietmar Bär) auf eine vom Bosnienkrieg traumatisierte Gattin (Alessija Lause), die vom Entschärfer betrogen wurde und von Haug (Sascha Alexander Geršak), einem alten Kameraden des Entschärfers, hofiert wird.
Die Kommissare treffen weiterhin auf den vorbestraften Spielhallenbesitzer Feichdinger (Thomas Darchinger), der beim Bieten um eine Wohnung in einer neu entstehenden Stadtrandsiedlung, die der Makler Gebel (Marco Hofschneider) vertickt, zu kurz gekommen ist wegen einer Vorstrafe (die durchs Bombenentschärfer-Ehepaar ausgeplaudert wurde). Sowie auf die Kolleginnen des Toten – Frau Vostell (Isabel Thierauch), die mit dem Entschärfer eine Affäre hatte, Chef Maiwald (Ralph Herforth) und dessen spielsüchtigen Sohn (Adrian Topol).
Der Fall entwickelt sich genauso ausgedacht, wie das Personal klingt. Und die Lösung ist keineswegs befriedigend – Maiwald junior war’s. Er hatte Makler Gebel für das Baugelände ein Gutachten erstellt, in dem kein zu entschärfender Weltkriegsblindgänger vorkam. Gab aber doch einen, weshalb im Laufe der Folge erpresst und vertuscht wird, damit das Bauprojekt weitergehen kann. Wobei die Bombe, wie das eher komische als dramatische Finale mit Vater und Sohn Maiwald vorführt, aber gar nicht unter den Häusern liegt, sondern in einiger Entfernung. Wozu also der Driss?
Für alle Freunde von Handlungslogik ist das nicht der einzige Moment, an dem in Bombengeschäft aufgejault werden kann (Buch: Thomas Stiller nach einer Idee von Frank Koopmann und Roland Heep, Regie: Stiller). Für Milieus hat dieser Tatort keinen Sinn, weil er mit einer durchschnittlichen Schickness beschäftigt ist: Das Bombenentschärfer-Paar klagt zwar über Geldsorgen, wohnt aber in einem zeitgemäß-geschmackvollen Einrichtungskatalog. Die Kamera (Marc Liesendahl) schneidet die Gesichter öfter mal zur Hälfte an, ohne dass man wüsste, warum – vermutlich soll das genauso fancy aussehen wie Vintage-LED-Glühbirnen.
Bombengeschäft will stilvoll aussehen, hat aber leider keinen Stil. Die Dialoge versuchen sich an nächstliegenden Witzigkeiten. Kommen Ballauf und Schenk zum Spielhallenbesitzer: “Die Herren Kommissare!” – “Wir dachten, wir versuchen auch mal unser Glück.” Damit ist das passend auf die Umgebung gedimmte Motiv aber noch nicht entlassen: “Der hatte schon immer ein glückliches Händchen”, heißt es später. Und wenn der Text bei der Zeile “Also doch der edle Samariter” angelangt ist, möchte man am liebsten in den Bildschirm springen: Das heißt “barmherzig”, der Samariter ist barmherzig, nicht edel!
Ein besonderer Peinsack ist Haug, der wegen einer Kriegsverletzung im Rollstuhl unterwegs ist. Die Entschärfer-Gattin adressiert er penetrant als “Prinzessin”, und auf seine Umstände macht er in ähnlich häufiger Weise aufmerksam – woran sich hübsch erkennen lässt, wie äußerlich das Leben von Haug dem Drehbuch ist. Immerfort mit dem Rollstuhl hausieren zu gehen, das kann nur, wer den Rollstuhl für einen besonders dramatischen Einfall hält. Im richtigen Leben wäre das vermutlich einfach das Leben (halt im Rollstuhl) und müsste nicht dauernd bedeutet werden als krasses Schicksal.
Wer genau hinschaut, kann in solchen Szenen erkennen, wie die Figur von Haug benutzt wird für billige Tapferkeit. Der Rollstuhl dient letztlich nur dazu, Haug “Krüppel” und Ähnliches sagen zu lassen. Aber wie lächerlich ist es gerade in einem biederen Tatort wie diesem, sich mit Bemerkungen hervorzutun, etwas sei “nicht sehr p. c.” (was immer damit gemeint ist), wenn im gleichen Film Ballauf dem Makler attestiert, was doch eh jeder sehen soll: dass der “nicht fair” sei, weil er den Spielhallenbesitzer für den Bombenentschärfer nicht nachrücken lässt beim Bewerben um die endtolle Wohnung in der neuen Siedlung.
Die ganz normale Routine eben, wie ein Spaßvogel anmerken könnte. Die einen werden sagen, endlich mal wieder ein “ganz normaler Tatort“. Und die anderen werden nicht nur aufgrund der aufdringlichen Männlichkeit, die diese Folge durch sein mühsames Personal performt, versonnen an die in ihrer Offenheit so durchdachte Schwarzwald-Episode von vor drei Wochen zurückdenken. Es ist einfach interessanter, von einem Krimi herausgefordert und irritiert zu werden, als dem Walten einer dämlichen Geschichte zuzusehen, deren Machern am wichtigsten zu sein scheint, dass sie gut aussieht.
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