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Familienplanung: Sie beschloss, sich sterilisieren zu lassen

Als Monika Tobel Mitte zwanzig war, beschloss sie, sich sterilisieren zu lassen. Tobel ist Künstlerin, sie kommt aus Ungarn, lebt und arbeitet aber in London. Sie habe lange gedacht, dass sie ihre Meinung über das Kinderkriegen ändern würde. Doch je mehr sie sich mit Umweltthemen beschäftigt habe, desto sicherer sei sie geworden: “Ich las über Umweltbelastung und wie ich meine eigene reduzieren kann und stellte fest: In dem Bereich, den ich kontrollieren kann, produziert nichts einen so großen CO2-Fußabdruck wie ein menschliches Leben.” Also sei es das einzig verantwortungsvolle Verhalten, keine Kinder zu bekommen – gerade für sie als Europäerin: “Niemand verbraucht so viel wie ein Mensch in Europa oder Nordamerika.”

Niemand verbraucht so viel wie ein Mensch in Europa oder Nordamerika.

Monika Tobel, Künstlerin

Inzwischen ist Tobel 41 Jahre alt, vor zwei Jahren fand sie nach langer Suche endlich einen Arzt, der sie sterilisierte. Als sie im Wartezimmer saß, machte sie das unter anderem bei Instagram öffentlich. Mit ihrem Mann sei sie sich einig gewesen, auch er habe nie Kinder gewollt. Nur ihre Mutter habe mehrmals versucht, sie umzustimmen. Doch Tobel war sich sicher. “Wir müssen persönliche Schritte gehen hin zu einer besseren Zukunft für alle.”

Familienplanung: "Ich will nicht, dass mein Kind das erlebt"

Auch die Britin Anna Hughes will keine Kinder bekommen, um die Erde zu retten. Die 36-Jährige arbeitet als Fahrradlehrerin, sie bringt Schulkindern und Erwachsenen bei, sich im Straßenverkehr sicher zu bewegen. Hughes sagt, sie habe schon als Kind gelernt, dass man auf die Erde aufpassen muss. Sie sagt auch, sie habe selbst nie Kinder gewollt. In den vergangenen Jahren sei ihr immer bewusster geworden, dass beides zusammenpasst, dass ihre Entscheidung gegen Kinder auch ökologisch sinnvoll ist. “Wir verbrauchen jetzt schon viel zu viele Ressourcen. Wir können die Bevölkerung nicht noch weiter vergrößern, das funktioniert mathematisch einfach nicht.”

Seit November 2018 sitzt Hughes im Stiftungsrat von Population Matters, einer britischen Wohltätigkeitsorganisation, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Bevölkerungsgröße und Umweltzerstörung beschäftigt und unter anderem von Naturfilmer David Attenborough unterstützt wird. Sie schreibe niemandem vor, keine Kinder zu bekommen, sagt Hughes. Sie wolle nur, dass die Menschen eine informierte Entscheidung darüber treffen, wie groß ihre Familie sein soll.

Tobel und Hughes haben sich nicht nur aus Umweltschutzgründen gegen Kinder entschieden, aber die Umwelt ist für sie ein wichtiger Grund, bei dieser Entscheidung zu bleiben. Und sie können sich auf wissenschaftliche Belege berufen, um das zu untermauern. 2017 wurde in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters eine Metastudie von schwedischen und kanadischen Forschenden veröffentlicht, die durch einen Vergleich früherer Studien untersucht, mit welchen individuellen Entscheidungen Menschen im globalen Norden, also in den sogenannten entwickelten Ländern, ihre persönlichen Treibhausgasemissionen am deutlichsten reduzieren können. Das Ergebnis: Wenn sie ein Kind weniger bekommen, sparen sie pro Jahr im Schnitt 58,6 Tonnen CO2-Äquivalent, also eine Menge an Treibhausgasen, die 58,6 Tonnen CO2 entspricht. Viel mehr, als wenn sie sich vegan ernähren, aufs Fliegen verzichten und noch dazu nicht Auto fahren – Maßnahmen, die laut der Studie Platz zwei bis vier belegen, wenn es um effektive Entscheidungen geht.

Wie plausibel diese Berechnungen wirklich sind, ist fraglich: Der Politikwissenschaftler Gregor Walter-Drop argumentierte jüngst in der ZEIT, der Wert von 58,6 Tonnen CO2 sei unhaltbar. Walter-Drop kritisiert, dass in der zugrundeliegenden Studie der gesamte CO2-Ausstoß eines Landes auf die Bevölkerungszahl umgerechnet werde, obwohl sich etwa die CO2-Bilanz von Industrieunternehmen nicht einfach anteilig auf den einzelnen Menschen umlegen lasse. Auch sei der Vergleich der einzelnen Entscheidungen – gegen Autos, Flugzeuge, Fleisch und Kinder – unzulässig. Darüber hinaus kann man der Studie vorwerfen, dass ein Durchschnittswert außer Acht lässt, welches Leben das Kind führen würde, das man nicht bekommen soll – denn auch im globalen Norden gibt es große Unterschiede, was den ökologischen Fußabdruck betrifft, beispielsweise zwischen Reichen und Armen.

Soll die Bevölkerung reduziert werden, um die Umwelt zu schützen?

Trotzdem leuchtet die grundsätzliche Überlegung ein. Jeder Mensch produziert Treibhausgase, laut CO2-Rechner des Umweltbundesamts sind es für den durchschnittlichen Deutschen 11,61 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr. Wenn die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden soll, wie im Pariser Klimaschutzübereinkommen festgelegt, muss die Menge an Treibhausgasen, die die Weltbevölkerung in die Luft bläst, erheblich reduziert werden. Warum also nicht die Zahl der Menschen reduzieren?

Dieser Gedanke ist nicht neu, und er kam nicht erst im Zusammenhang mit CO2 und anderen Treibhausgasen auf. Schon 1798 argumentierte der britische Ökonom Thomas Robert Malthus in seinem Essay on the Principle of Population, die Bevölkerung nehme so schnell zu, dass die Steigerung der Produktion von Nahrungsmitteln nicht mithalten könne. Irgendwann könne sich die Menschheit also nicht mehr ernähren – weshalb Malthus unter anderem vorschlug, die Geburtenrate zu senken.

Los komm, wir sterben endlich aus – was Besseres kann der Erde nicht passieren.

Die Ärzte, Popband

Vor dem Hintergrund der Klimakrise kommt diese Debatte gerade im modernen Mainstream an – nicht nur in Großbritannien, wo Monika Tobel und Anna Hughes leben. Die Band Die Ärzte singt in ihrem neuen Lied: “Los komm, wir sterben endlich aus – was Besseres kann der Erde nicht passieren.” Die Regensburger Gymnasiallehrerin Verena Brunschweiger veröffentlichte vor Kurzem ihr Buch Kinderfrei statt kinderlos und zitiert darin unter anderem die Ergebnisse der schwedisch-kanadischen Studie als Grund für ihr kinderfreies Leben. Und die US-amerikanische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez fragte Ende Februar bei Instagram, ob es angesichts des Zustands des Klimas noch in Ordnung sei, Kinder zu bekommen.

Doch selbst Umweltschützerinnen haben keine einheitliche Antwort darauf. Das liegt auch daran, dass sich weitere Fragen anschließen: Auf welche Zahl müsste die Weltbevölkerung reduziert werden? Und wo müsste diese Reduktion stattfinden, im globalen Süden, wo das Bevölkerungswachstum hoch ist, oder im globalen Norden, wo mehr Ressourcen verbraucht und mehr Treibhausgase produziert werden, aber gleichzeitig die Überalterung der Gesellschaft ein Problem darstellt? Sollte gar eine restriktive Gesetzgebung her – wie die inzwischen beendete Ein-Kind-Politik in China?

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