/Berliner SPD stimmt über Verbeamtung von Pädagogen ab

Berliner SPD stimmt über Verbeamtung von Pädagogen ab

Um 18.25 Uhr war am Sonnabend zumindest eines klar: Eine vorbehaltlose Rückkehr wollte die Mehrheit der Delegierten nicht. 129 stimmten gegen die Verbeamtung, 108 dafür – bei fünf Enthaltungen. Stattdessen kam der Antrag durch, der sich für eine “ergebnisoffene Gegenüberstellung” der Optionen einsetzte. Somit kann am Ende doch eine Verbeamtung stehen.

Beim SPD-Parteitag hatte am Nachmittag ein leidenschaftlicher Schlagabtausch zur Verbeamtung der Lehrer begonnen: 42 Redner standen auf der Liste. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) appellierte an die Delegierten, zur Verbeamtung zurückzukehren, um die Abwanderung der Lehrer zu verhindern. Dabei wiederholte sie ihre Schätzung, dass rund 450 Lehrer pro Jahr wegen der fehlenden Verbeamtung abwandern.

Auch Finanzsenator Matthias Kollatz ergriff das Wort. Er warnte, dass die Verbeamtung das “teurere System” sei. Da die Pensionslasten schon jetzt bei 58 Milliarden Euro lägen, sei es nicht möglich, dort “noch mehr draufzupacken”. Das aber bedeute, dass bei einer Verbeamtung ein Pensionsfonds bestückt werden müsse. Das sei nur dann “verkraftbar”, wenn es im Gegenzug nicht noch Zulagen für die angestellten Lehrer gebe: eine “Sause der Selbstbedienung” sei nicht möglich.

Kurz bevor die Debatte um die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung begann, hatten sich die Jugendorganisationen der Koalitionsparteien für eine Beibehaltung des Angestelltenstatus ausgesprochen: Grüne Jugend, Jusos Berlin und Linksjugend warnten gemeinsam mit der Jungen GEW vor „neuen Ungerechtigkeiten“ ohne Garantie dafür, dass dem Lehrermangel entscheidend abgeholfen werden könnte.

In diese Richtung gingen auch zwei von vier Anträgen, die zur Abstimmung standen. Der eine war von den Jusos eingebracht worden, der andere von der Kreisdelegiertenversammlung Mitte. Hingegen hatte sich die Kreisdelegiertenversammlung Reinickendorf mit dem Antrag an den Parteitag gewandt, den Berliner „Sonderweg“ noch 2019 zu beenden und die Lehrer wieder zu verbeamten, „um auf dem Arbeitsmarkt qualifizierter Lehrkräfte konkurrenzfähig zu sein“.

Vier Anträge zur Abstimmung

Ein Mittelweg wurde in einem weiteren Antrag aus Mitte vorgeschlagen, hinter dem die bildungspolitische Fraktionssprecherin Maja Lasic aus Gesundbrunnen steht. Er warb nicht kategorisch für die Verbeamtung, aber fordert eine „ergebnisoffene Gegenüberstellung“: Das Ziel einer „echten Gleichstellung“ müsse Vorrang vor der Debatte über den Status haben, heißt es in dem Antrag. Es gehe aber um die Wettbewerbsfähigkeit. Zudem heißt es dort, dass berücksichtigt werden müsse, wie chancenreich die finanzielle Gleichstellung innerhalb der Tarifgemeinschaft deutscher Länder sei.

Dem letztgenannten Antrag wurden bereits im Vorfeld bessere Chancen eingeräumt als dem vorbehaltlosen Wechsel zur Verbeamtung. Dass er – ebenso wie der Antrag aus Reinickendorf – auf eine Rückkehr zur Verbeamtung hinauslaufen könnte, nur dass noch andere Optionen geprüft werden müssten, sollte allen Parteitagsdelegierten klar gewesen sein. Denn Lasic hatte sich zusammen mit SPD-Fraktionsschef Raed Saleh im Vorfeld des Parteitages – im Rahmen eines Tagesspiegel-Interviews – für die Rückkehr zur Verbeamtung ausgesprochen.

“Wiedereinführung der Verbeamtung” als Option

Die entscheidende Passage des Antrags lautet: “Die Senats- und Fraktionsmitglieder werden hierfür aufgefordert, noch im Verlauf des Kalenderjahres 2019 die verschiedenen Wege zur Umsetzung der obigen Ziele zu erarbeiten und einander ergebnisoffen gegenüberzustellen. Dabei sollen die Erfolgsaussichten innerhalb der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) mit den Vor- und Nachteilen einer außertariflichen Entgeltgestaltung für Berliner Lehrkräfte, einer Wiedereinführung der Verbeamtung oder anderen Lösungsansätzen gegeneinander abgewogen werden.”

Den letzten Ausschlag für die Wiederkehr der Diskussion hatte gegeben, dass im Jahr 2018 mit Sachsen das vorletzte Bundesland beschlossen hatte, zur Verbeamtung der Lehrer überzugehen – aus reiner Personalnot: Sachsen hatte nach der Wende immer am Angstelltenstatus festgehalten, und auch die CDU hatte hier diesen Weg kategorisch vertreten. Ganz anders als in Berlin, wo die CDU seit 2011 für die Rückkehr zur Verbeamtung wirbt: Damals war der Lehrermangel in der Hauptstadt schon deutlich zu spüren.

Auch in der SPD hatte es seit Jahren immer wieder Stimmen für eine Abkehr vom Angestelltenstatus gegeben: Der frühere Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), der aus Rheinland-Pfalz nach Berlin gekommen war, war der erste, der die Forderung aufstellte. Er konnte sich aber gegen die Berliner SPD nicht durchsetzen, die sich unter ihrem damaligen Parteichef und Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit für eine Abkehr von der Lehrerverbeamtung entschieden hatte.

Zu wenig Grundschullehrer ausgebildet

Zöllners Nachfolgerin Sandra Scheeres (SPD) geriet in den Folgejahren zunehmend unter Druck, zumal weder Zöllner noch sie rechtzeitig gegenüber den Universitäten darauf bestanden hatten, Studienplätze für Lehrer bereitzustellen: Jahrelang wurden Tausende Bewerber – insbesondere für das Lehramt an Grundschulen – abgewiesen, obwohl klar war, dass die Pensionierungswelle große Lücken reißen würde. Die fehlenden Studienplätze führten dazu, dass Berlin heute kaum noch ausgebildeten Nachwuchs für die Grundschulen hat: Rund 60 Prozent der Neueinstellungen waren 2018 Seiteneinsteiger, nur 15 Prozent ausgebildete Grundschullehrer, der Rest Oberschulpädagogen. Inzwischen wurden die Studienplätze allerdings drastisch aufgestockt, zudem wurde die Bezahlung verbessert. Die Nachwuchsorganisationen der Koalitionsparteien wollen diese Effekte abwarten, anstatt zur Verbeamtung zurückzukehren, bevor die Maßnahmen greifen können.

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