Die Brandenburger SPD stellt den Wahlkampf mit ihrem Kandidaten für die Europawahl, Simon Vaut, ein – weil dieser die Partei belogen hat. Das teilte der von Ministerpräsident Dietmar Woidke geführte Landesvorstand der SPD mit. Generalsekretär Erik Stohn sagte nach einer Krisenkonferenz: “Die SPD Brandenburg wird für Simon Vaut ab sofort keinen Wahlkampf mehr machen. Er ist aufgefordert alle Termine abzusagen. Die geplanten Materialien werden vom Regine-Hildebrandt-Haus verändert werden.”
Zugleich forderte die SPD Brandenburg Vaut zwei Monate vor der Wahl auf, dass er das Mandat für das Europäische Parlament nicht annimmt, sollte er gewählt werden. Vaut habe bereits zugesagt, für diesen Verzicht vorab eine schriftliche Erklärung abzugeben.
Grund für die Erschütterungen sind Lügenvorwürfe gegen Vaut. Er soll gegenüber seinen Genossen und seiner Landespartei falsche Angaben über seinen Wohnsitz und seine Lebenspartnerin gemacht haben: Statt in Brandenburg/Havel lebt er in Berlin. Nach Tagesspiegel-Information war Vaut nie in Brandenburg/Havel mit seinem Wohnsitz behördlich gemeldet. Und die von ihm vor der Partei präsentierte Frau soll auch nicht seine Partnerin sein, wie der Stadtsender SKB TV berichtete. Bei seiner Bewerbungsrede als Kandidat hatte Vaut gesagt: “Weil heute ein wichtiger Tag für
mich ist, bin ich nicht allein gekommen. Meine Partnerin Doreen ist
hier im Saal.” Er arbeite zwar im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin. “Aber das
schönste an Berlin ist für mich längst der RE1, um 18 Uhr 07, denn der
bringt mich am Abend zurück nach Brandenburg an der Havel.”
Auf Spiegel Online bestätigte Vaut, die Öffentlichkeit in die Irre geführt zu haben. “Die Vorwürfe treffen zu: Ich habe nie in Brandenburg an der Havel gewohnt, sondern immer in Berlin”, sagte er dem Portal. “Vor allem möchte ich um Verzeihung bitten, dass ich meine damalige aus Brandenburg stammende, aber ebenfalls in Berlin wohnende Freundin für meine Europakandidatur instrumentalisiert habe. Es tut mir leid für sie, für die SPD in Brandenburg und für alle, die mich ehrenamtlich unterstützt haben.” Eine Anfrage des Tagesspiegels vom Montagabend hatte Vaut unbeantwortet gelassen.
Brandenburgs SPD-Landeschef Dietmar Woidke distanzierte sich von Vaut und legte ihm indirekt den Rücktritt nahe. “Ich bin persönlich enttäuscht”, sagte Woidke. “Wenn die Vorwürfe zutreffen, wovon ich im jetzigen Moment ausgehen muss, dann erwarte ich, sollte er ein Mandat erringen, dass er auf dieses Mandat verzichtet.”
Hoffnungsträger und Mann von Welt
Vaut hat nach Angaben der Brandenburger SPD-Spitze noch am Montagabend die Vorwürfe intern eingeräumt. Zugleich habe er eingeräumt, zu allen Schritten und Konsequenzen bereit zu sein. “Er hat einen Brandenburg-Bezug hergestellt, den es nie gab”, sagte der Generalsekretär der märkischen Sozialdemokraten, Erik Stohn. Rechtlich sei es durchaus möglich, als Berliner für die Brandenburger SPD zur Europawahl anzutreten, politisch und moralisch sei Vauts Vorgehen aber nicht tragbar. Die Wählbarkeitsbescheinigung mit den Angaben zu einem Erstwohnsitz in Berlin hatte Vaut über das Willy-Brandt-Haus eingereicht, diese Information sei nicht in Potsdam angekommen, hieß es.
Vaut, Anfang 40, galt als Hoffnungsträger, als Mann von Welt. Und er verfügt über beste Kontakte, war Redenschreiber für Sigmar Gabriel, als der noch Außenminister war, leitete das EU-Verbindungsbüro der SPD-Bundestagsfraktion in Brüssel und arbeitet derzeit im Bundeswirtschaftsministerium. Bei einer Landesvertreterversammlung im September hatte er sich bei der Kandidatenwahl knapp gegen die frühere Landeschefin der Jusos Maja Wallstein durchgesetzt, die von Woidke und vom Landesvorstand favorisiert worden war. Wallstein ist aber Ersatzkandidatin.
In der Partei ist die Verbitterung groß. Erst Recht, weil sich Vaut auf dem Nominierungsparteitag in Wildau erst im zweiten Wahlgang gegen Wallstein hatte durchsetzen können. SPD-Landtagsfraktionschef Mike Bischoff sagte: “Wir fühlen uns auch in der SPD-Fraktion getäuscht.” Es gehe um Vertrauen und Anstand, wenn man sich bei einer Partei für ein Mandat bewerbe. Teile von Vauts Vorstellung beim Landesparteitag hätten nicht der umfänglichen Wahrheit entsprochen. “Da ist auch eine tiefe Enttäuschung da. Das muss Konsequenzen haben”, sagte Bischoff.
CDU-Landes- und Fraktionschef Ingo Senftleben sagte: “Die SPD in Brandenburg bleibt in der Krise.” SPD-Landeschef Woidke treffe keine persönliche Schuld, aber er habe die Verantwortung, aufzuklären, sagte Senftleben, der bei der Landtagswahl am 1. September erster CDU-Ministerpräsident in Brandenburg werden will. Wenn man in der SPD mit solchen Machenschaften Kandidat werden könne, sage das auch etwas über den Gesamtzustand der SPD aus.
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