ZEIT ONLINE: Frau Wefelnberg, Sie sind 870 Kilometer über die Pyrenäen gelaufen, nonstop in 400 Stunden. Wanderer brauchen dafür 60 Tage. Ein anderes Mal waren es 520 Kilometer durch das australische Outback. Warum?
Wefelnberg: Es fällt mir schwer, das einfach so zu beantworten. Zumindest so, dass Sie meine Passion verstehen. Die Fragen ähneln sich ja immer: Du läufst? So weit? Alleine? Mit Rucksack? Mein Kopf platzt bald, so voll ist er mit Erinnerungen und Erfahrungen.
ZEIT ONLINE: Dann erzählen Sie uns davon. Wir haben Zeit. Wie hat das angefangen?
Wefelnberg: In den USA war ich Leistungsschwimmerin. 1988 kam ich zum Studieren nach Deutschland und fing an, durch den Schwarzwald zu wandern. Irgendwann wurden die Touren länger. Ich habe keinen Führerschein, am Anfang habe ich also meinen Rucksack gepackt und bin die 18 Kilometer nach Freiburg zur Arbeit gelaufen und jeden zweiten Tag auch wieder zurück. Dort habe ich so eine Art Duschnetzwerk, bei Freunden oder bei der Polizei zum Beispiel. Jetzt mache ich ausgedehnte Trainingsläufe, zwischen 20 und 60 Kilometer alle paar Tage, und baue einiges an Training in den Alltag ein, ich habe ja auch noch einen 40-Stunden-Job und zwei Töchter. Wenn ich unterwegs bin, nehme ich immer die Treppen. Im Hotel werde ich zwar etwas schief angeschaut, wenn ich mein Gepäck in den siebten Stock trage. Aber so will ich es. Ich lasse nichts aus. Wohin ich laufen kann, laufe ich.
ZEIT ONLINE: Wann wurde aus der Freizeitwanderin eine Extremläuferin?
Wefelnberg: Nach der SMS eines Freundes. Er schrieb: “Komm, wir laufen durch die Sahara, 250 Kilometer, nur Wasser wird gestellt.” Es war der Marathon des Sables, eine unglaublich anstrengende Geschichte. Ich dachte: Was hat der denn getrunken gestern Abend? Er hatte einen Artikel darüber gelesen. Worüber ich heute sehr dankbar bin. Das war 2005.
ZEIT ONLINE: Und sie haben sich angemeldet und dann ging es los?
Wefelnberg: Nein. Die SMS hielt ich für blanken Unsinn, doch sie blieb mir lange im Kopf. So lange, bis ich mich mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt habe, da gab es ja einige sehr gute. Niemand passt auf meine Kinder auf, ich kriege keinen Urlaub, ich bekomme das nicht finanziert, ich schaffe das nicht, ich erhalte keinen Startplatz. Oft bilden wir uns aber nur ein, was nicht geht. Die Realität ist anders.
ZEIT ONLINE: Wie haben Sie das lösen können?
Wefelnberg: Ich war so dreist, kurz nachdem ich eine neue Stelle angetreten hatte, um Urlaub für den Lauf zu bitten. Mein Chef sagte: Ich werde ganz schön sauer – wenn du es nicht machst! Erstes Problem gelöst. In der Zeit bin ich von einer Wanderung zurück getrampt, und hab dem Fahrer erzählt, was ich mache. So fand ich einen meiner Sponsoren. Die Freiburger Turnerschaft fing an, mich zu unterstützen. Eine Freundin von mir war natürlich bereit, zwei Wochen auf meine Kinder aufzupassen. Dem Veranstalter beschrieb ich meinen sportlichen Werdegang und warum ich einen der nur 800 Startplätze bekommen soll. Außerdem trainierte ich härter. Alle fünf Argumente zerfielen innerhalb von drei Wochen wie ein Kartenhaus. Ein halbes Jahr nach der SMS stand ich in der Sahara am Start des damals härtesten Ultramarathons der Welt. Damit war schon die erste Etappe geschafft. Es ist gar nicht so verrückt, was wir träumen.
ZEIT ONLINE: Und seitdem laufen sie jedes Jahr vier Extremläufe. Mal im Himalaya, am liebsten durch die Wüste. Müssen Sie sich immer weiter steigern?
Wefelnberg: 250 Kilometer waren okay, aber man gewöhnt sich an diese Zahl. Dann will man sich steigern, fängt an zu suchen, nach einer längeren Strecke, härteren Bedingungen. Derzeit versuche ich mich zu überzeugen, bei einem Tausendkilometerlauf durch Mauretanien an den Start zu gehen. Ich habe beim ersten Lauf 2006 die Ziellinie gesehen, noch 100 Meter, 50, 25. Woa! Dann ist man unglaublich glücklich, klar, weil da stehen die Busse zurück ins Leben. Aber man dreht sich auch um und schaut zurück in die Sahara, und begreift: Oh! Es ist vorbei. Shit!
ZEIT ONLINE: Sie waren angefixt.
Wefelnberg: Viele sagen im Ziel: Nie wieder! Ich dachte: Geil, noch mal! Es müsste doch eigentlich noch etliche andere dieser Läufe geben.
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