Am heutigen Samstag wird in ganz Deutschland gegen Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform demonstriert. Für wen hätte sie Vorteile, was wäre schlecht an ihr? Darüber streiten auch John und Joshua Kantara, Vater und Sohn. Der 54-jährige John freut sich auf die Reform und erhofft sich als Filmemacher mehr Einnahmen von Plattformen wie YouTube. Sein Sohn Joshua, kurz Josh, betreibt seinen eigenen YouTube-Kanal. Der 17-jährige Schüler hält die Pläne für eine Katastrophe, er befürchtet die Einschränkung seiner Kunstfreiheit. Am Küchentisch diskutieren sie regelmäßig, vor allem über Artikel 13, der Betreiber von Onlineplattformen bei Urheberrechtsverletzungen stärker in die Pflicht nimmt und den Einsatz von Uploadfiltern bedeuten könnte. Zum Gespräch mit ZEIT ONLINE in ihrer Wohnung in Berlin haben beide ihre Notizbücher mitgebracht – mit den wichtigsten Argumenten.
ZEIT ONLINE: Wir sitzen an dem Ort, an dem ihr beide angefangen habt, über das Urheberrecht zu streiten: an eurem Küchentisch. Ihr diskutiert als Vater und Sohn, als Dokumentarfilmer und YouTuber. Wann habt ihr festgestellt, dass ihr beim Urheberrecht unterschiedlicher Meinung seid?
Joshua Kantara: Vor ein paar Monaten. Meine Schwester kam auf mich zu und meinte: “YouTube wird gelöscht.” Ich dachte nur: “Was redet die da?” Dann habe ich mir das selbst angeguckt und war ziemlich schockiert. Papa hat das mitbekommen. Natürlich hatten wir vorher schon Auseinandersetzungen darüber, weil …
John Kantara: … wir als Eltern haftbar für das sind, was du hochlädst. Da müssen wir uns schon ein paar Gedanken machen. Ich habe den Ursprung der jetzigen Debatte aber ähnlich in Erinnerung. Das war im November, die Jugendlichen waren alle total aufgeregt. Und da habe ich – natürlich etwas provokant – gesagt: Na ja, also die Geschäftsgrundlage von YouTube beruht doch darauf, dass man Sachen von anderen Leuten klaut. Da war es zappenduster.
ZEIT ONLINE: John, weshalb befürwortest du die Reform?
John: Weil wir Rechteinhaber seit Jahren abgezogen werden von den großen Internetplattformen. Menschen auf Facebook, aber auch YouTube laden alle möglichen Sachen hoch, an denen sie keine Rechte besitzen. Die Plattformen verdienen damit Geld, beteiligen aber die Urheber nicht daran. Deswegen sagen ja mehr als 230 Verbände und Organisationen: Wir brauchen einen Urheberrechtsschutz im Internet.
ZEIT ONLINE: Du hast also finanzielle Einbußen durch YouTube?
John: Ja, klar. Ich erhalte über die VG Wort oder die VG Bild-Kunst normalerweise Tantiemen. Immer, wenn ein Werk von mir irgendwo erscheint, verdiene ich daran. Läuft eins meiner Werke auf YouTube, tue ich das nicht, dann kann ich das nicht mal mehr verkaufen. Denn warum sollte jemand für einen Film zahlen, den er auf YouTube sehen kann? Die Aufnahmen sind nicht mehr so viel wert, wenn es sie nicht exklusiv gibt. Dadurch entgeht mir jedes Jahr viel Geld. Das sind Einnahmen, die ich brauche, damit ich mit meiner Familie überleben kann.
Joshua: Aber, Dad, wenn einer deiner Filme auf YouTube läuft und du ein Problem damit hast, dann ist es doch deine Aufgabe, dich darum zu kümmern. Das kannst du doch jetzt auch schon, du kannst dich an den YouTube-Support wenden, du kannst Leute verwarnen oder Geld von ihnen verlangen …
John: Man kann doch die Rechteinhaber nicht einfach übergehen und denen dann auch noch sagen, sie sollen sehen, wie sie an ihr Geld kommen. Ich habe keine Zeit dafür, im Internet zu recherchieren, wer da mein Urheberrecht verletzt, Joshua. Ich bin beschäftigt damit, Brötchen auf den Tisch zu bringen.
Joshua: Wenn es dich so viel Geld im Jahr kostet, dann wirst du ja wohl die Zeit finden. Ich weiß, das ist nicht fair – aber nötig, bis man eine vernünftige Lösung findet, ohne jemanden wirklich zu verletzen, und zwar auch uns YouTuber.
ZEIT ONLINE: Josh, du hast einen YouTube-Kanal. Was stört dich an der geplanten Urheberrechtsreform der EU?
Joshua: Mein allererstes Problem damit ist, dass die Leute, die das Gesetz geschrieben haben, aus deiner Generation stammen, Dad, und nicht aus meiner. Die meisten setzen sich gar nicht richtig damit auseinander, was wir machen, sondern vertreten den Standpunkt: YouTuber klauen doch sowieso alles. Genau wie du. Und wenn du sagst, die Jugendlichen hätten sich aufgeregt, entschuldige bitte: Gegen diesen Artikel 13 protestieren nicht nur Jugendliche, sondern durchaus auch Erwachsene, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
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