Eine Schwangerschaft im dritten Trimester ähnelt der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester. Ein bisschen schwerer als sonst und vollgepumpt mit Vorfreude auf das Ungewisse macht man sich unrealistische Vorsätze. Den ersten guten Vorsatz, den ich mir als schwangere Journalistin machte, war: “Ich werde niemals über das Muttersein schreiben.” Es war auch der erste, den ich dann wieder brach. Der zweite gute Vorsatz, und um den soll es hier gehen, lautete: Nichts wird sich ändern. Ich will in meiner Dachgeschosswohnung ohne Aufzug wohnen bleiben, ich will spontan meine Freundinnen in Beirut und Amman besuchen und Urlaub auf dem Hausboot machen können. Arbeiten will ich natürlich auch möglichst bald wieder. Bloß keinen Karriereknick.
Man muss dann nur einmal kurz Schwangerschaft oder Muttersein googlen, um zu erfahren, dass sich alles ändern wird: Das Gehalt, die Beziehung, der Freundeskreis. Kinder sind der Abschied von der Freiheit, so schrieb es 2001 die amerikanische Schriftstellerin Rachel Cusk in ihrem Sachbuch A Life’s Work: On Becoming a Mother.
Wirklich, wer da noch Kinder kriegt, also als verdienende Großstadtfrau zumindest, der kann sie ja nicht mehr alle haben. Oder?
Einen Social-Media-tauglichen Namen hat das Leiden über den Verlust der Freiheit 2015 bekommen, als die israelische Soziologin Orna Donath in ihrer Studie Regretting Motherhood Frauen befragte, die es bereuten, Kinder bekommen zu haben. Die Studie löste, besonders in Deutschland, eine Debatte darüber aus, ob man seine Kinder, obwohl man sie liebt, auch als furchtbar anstrengend, eklig und freiheitsraubend empfinden darf. Es folgten unzählige Artikel, Blogeinträge und Bücher, geschrieben von Frauen, die sich ebenfalls über die geraubte Freiheit beklagen.
Zuletzt hat im Frühjahr 2018 die deutsche Schriftstellerin und ZEIT-Redakteurin Antonia Baum auf 224 Seiten erörtert, warum das Kinderkriegen für sie, als privilegierte Großstadt-Akademikerin, einer Katastrophe gleicht. Von der Gesellschaft ungesehen steht sie am Fenster, beobachtet die anderen Zurückgebliebenen (also Alte und Arbeitslose) und sehnt sich danach, doch wenigstens wieder die acht Kilometer Arbeitsweg zurücklegen zu dürfen. Auch Frauen, die das Kinderkriegen gar nicht erst ausprobieren, schreiben darüber, wie schlimm es ist: 364 Tage Elend sei das Muttersein, schrieb eine Autorin kürzlich auf ZEIT ONLINE, um dann am Muttertag mit billigen Edeka-Rosen dafür entschädigt zu werden.
Sollte ich jetzt Angst bekommen? Angst vor Armut, sozialem Abstieg? Angst vor Nie-wieder-Kino-Feiern-Ausschlafen-Sauna-Freibad?
Die geschlossene Botschaft: Kriegt besser keine Kinder. Denn eine Frau, die sich entscheidet, Mutter zu werden, ist auch heute zutiefst unfrei. Tägliche Meldungen zu Gehaltseinbrüchen und Karriereknicke für Frauen, die Kinder kriegen, bestätigen das gefühlte Leid der Frauen mit harten Fakten. Wirklich, wer da noch Kinder kriegt, also als verdienende Großstadtfrau zumindest, der kann sie ja nicht mehr alle haben.
Sollte ich jetzt Angst bekommen? Angst vor Armut, sozialem Abstieg? Angst vor Nie-wieder-Kino-Feiern-Ausschlafen-Sauna-Freibad?
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