Es ist nicht mehr viel Freundschaft übrig. Streit unter Genossen gehörte
zwar schon immer zur SPÖ, doch die derzeitige Untergangsstimmung und die aktuellen
Flügelkämpfe lähmen die Partei noch mehr als in den Jahren unter Werner Faymann, als sich
Lethargie begann auszubreiten. Wenn Pamela Rendi-Wagner über die SPÖ spricht, klingen ihre
Worte wie Durchhalteparolen. “Ich kann nicht an meinen Erfolg glauben, wenn ich mich
gleichzeitig mit meinem Scheitern beschäftige”, sagte sie Anfang der Woche zur
Kleinen
Zeitung. Da war die jüngste Hiobsbotschaft aus dem Westen noch keine zwei Tage alt.
In ihren besten Zeiten regierte die SPÖ in Salzburg das Land und die Stadt. In nicht ganz so guten stellte sie zumindest in der Stadt die Mehrheit – durchgehend seit 1945. Bis zum vergangenen Sonntag, als die ÖVP an ihr vorbeizog. Die guten Zeiten der österreichischen Sozialdemokratie sind aber schon länger vorbei.
Noch vor zwei Jahren waren die größeren ideologischen Gräben in der Partei überschaubar: Ottakring gegen Eisenstadt, die Häupl-SPÖ gegen jene von Hans Niessl. Aus Ottakring wurde mittlerweile Floridsdorf, die Heimat von Michael Ludwig, der nicht mehr bedingungslos für eine linke SPÖ steht.
Die Parteispitze bemüht derweil die alte Taktik von Werner Faymann. Sie igelt sich ein, sagt weniger als nötig. Der Unterschied: Faymann saß im Bundeskanzleramt. Pamela Rendi-Wagner und ihr Geschäftsführer Thomas Drozda sitzen mit ihrem engen Vertrautenkreis in der Parteizentrale in der Löwelstraße. Der Genosse Eisenstadt, Hans-Peter Doskozil, Niessls Nachfolger, trommelt derweil kräftig für sich und sorgt wöchentlich für Unruhe. Seine jüngste Forderung: Österreichischen IS-Terroristen solle die Staatsbürgerschaft entzogen werden, auch wenn sie dann staatenlos seien. Dass er damit die FPÖ rechts überholte, überrascht nicht mehr.
Seine Burgenland-Fraktion hat mittlerweile quer durch die Partei Anhänger und ist bis nach Tirol expandiert.
Am Landesparteitag in Innsbruck feierten Doskozil und sein Tiroler Pendant Georg Dornauer das Hochamt des renitenten Flügels. Doskozil hatte zuvor die Regierungspläne zur Sicherungshaft für Asylwerber nicht nur nicht umgehend abgelehnt, der Burgenländer meinte gar, sie solle auf alle in Österreich ausgedehnt werden – gleich welcher Nationalität. Und in einem Gastkommentar war zu lesen, was er von Aufrufen zur Einigkeit halte: gar nichts.
In Innsbruck nahm Rendi-Wagner einen neuen Anlauf, sie maßregelte die beiden Herren von der Bühne aus. Zu jeder anderen Zeit wären ihre Worte als Kampfrede durchgegangen. Jetzt aber wirkte es wie der Mut der Ratlosen. Selbst wenn die Mitglieder zur Einigkeit bereit wären, bliebe die Frage: Hinter welchen Inhalten solle man sich gemeinsam versammeln? Es ist nicht viel da, selbst die Forderung nach einer Vermögenssteuer, das griffige Kampfthema der Sozialdemokraten, wurde kassiert.
Wird die SPÖ abgewrackt, oder wartet sie darauf, dass bessere Zeiten von selbst kommen?
Wer nach Genossen sucht, die sich damit nicht abfinden möchten, der muss tief in die Provinz fahren. Vergangene Woche lud Max Lercher, der im November als Bundesparteigeschäftsführer abgelöst worden war, nach Judenburg zum politischen Aschermittwoch – es soll der erste der SPÖ in ihrer 130-jährigen Geschichte gewesen sein.
Platte Witze, Tracht und Bierfass: Ein neues Bild der Sozialdemokratie?
In einem Stadl etwas außerhalb der kleinen Stadt, zwischen Bauernhof, Wald und Landstraße, drängt sich der 32-jährige Lercher in grüner Trachtenweste zwischen Biertischen durch. Betriebsräte sind gekommen, Gewerkschafter, Ortsfunktionäre und viele Unzufriedene, die stolz ihre Viktor-Adler-Plakette für mindestens 40 Jahre Parteimitgliedschaft am Revers tragen.
Auch Julia Herr und Willi Mernyi sitzen auf einer Bierbank, die SJ Vorsitzende und Kandidatin für das EU-Parlament und der mächtige Gewerkschafter. Dazu kommen der steirische Landesgeschäftsführer Wolfgang Moitzi und Mandatare. Auch jene steirische Landtagsabgeordnete, die Thomas Drozda gleich nach dessen Bestellung in einem Facebook-Posting zuraunte: “Thomas, du bist ein Bobo!”
Auch wenn Max Lercher oft betont, es sei eine kleine, regionale, ja eigentlich eher unbedeutende Veranstaltung – er weiß genau, dass das nicht stimmt.
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