Es scheint im Menschen die tiefe Sehnsucht zu geben, andere Menschen in Bronze zu gießen oder in Stein zu meißeln (zumindest andere Männer, was eine eigene Gesellschaftskritik wert wäre). Früher wurde diese Ehre Herrschern, Heiligen und Feldherren zuteil, an deren symbolhafter Tapferkeit, Standhaftigkeit oder insgesamt großartiger Großartigkeit sich das gemeine Volk gefälligst ein Beispiel nehmen sollte. Seit aber dieses gemeine Volk das Sagen hat, werden Statuen eher gestürzt als errichtet: Menschen werden heute nicht mehr so eindimensional gesehen, als dass man sie dreidimensional verewigt sehen möchte. In den USA werden Statuen von Südstaaten-Soldaten niedergerissen, weil diese im Bürgerkrieg nicht nur tapfer gekämpft haben, sondern auch tapfer für die Sklaverei gekämpft haben. Gegen die Errichtung einer Karl-Marx-Statue in Trier voriges Jahr wurde protestiert, weil die Umsetzung von Marx’ Ideen nicht immer ganz so menschenfreundlich war. Wen will man heute noch auf einen Sockel stellen? In Demokratien fallen Herrscher als Modell aus, Heilige und Feldherren sind aus der Mode.
Die Antwort lautet: Fußballer. Gerade wurde in Los Angeles eine Statue enthüllt: Sie zeigt David Beckham und steht vor dem Stadion des Fußballclubs LA Galaxy, für den er fünf Jahre lang gespielt hat. In den letzten Jahren wurden neben Beckham auch Ronaldo, Maradona, Thierry Henry, Luis Suárez, Dennis Bergkamp, Pelé, Zico, Helmut Haller, Uwe Seelers Fuß sowie Uli Prüfke und Ralph Quest (die 1968 mit Union Berlin den Pokalwettbewerb der DDR gewannen) mit Statuen gewürdigt. Offenbar hat das Niederreißen von Statuen beim Volk ein Vakuum hinterlassen, und all diese plötzlich ziellosen Gefühle werden nun auf Fußballer projiziert: Um sie wird ein Personenkult getrieben wie einst um Herrscher; sie erlösen (mit späten Toren) wie Heilige; sie schlagen Schlachten, schießen, stürmen und verteidigen auf dem Felde wie Feldherren. Sie sind die Letzten, auf die sich die meisten einigen können.
Aber irgendwann werden auch die ersten Fußballerstatuen fallen, weil wir nicht mehr verdrängen können, dass der Fußball nicht so eindimensional ist, wie wir ihn gern hätten (Steuerhinterziehung, Bestechung, Doping). Und dann werden wir einsehen, dass es großer Quatsch ist, Fußballer in Stein zu meißeln. Angehende Bildhauer sollten sich deshalb jetzt schon auf Motive spezialisieren, auf die sich langfristig wirklich alle einigen können: Katzenbabys, Ausschlafen und Spargelzeit.
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