Beschäftigte und Bedürftige fordern weitgehende Verbesserungen in der Pflege. Die Bundesregierung habe den Ernst der Lage erkannt, lobte der
Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, zum Auftakt des Deutschen Pflegetages in Berlin und würdigte die von drei Bundesministerien einberufene “Konzertierte Aktion Pflege”
als “ersten wichtigen Schritt”. Allerdings fehle “eine
Zielvorgabe für die Weiterentwicklung des Heilberufes” über die
kommenden Jahre hinaus. Besonders der Pflegeberuf
sei in der Krise. Schon jetzt dauere es fünf Monate, um eine freie Stelle in der Pflege zu besetzen.
Ein Drittel der Pflegekräfte
überlege, aus dem Beruf auszusteigen. Innerhalb der kommenden 15 Jahre
erreiche zudem ein Drittel das Rentenalter. Nötig seien daher
bessere Bezahlung, arbeitnehmerfreundlichere Dienstpläne sowie eine
Zielvorgabe für die Weiterentwicklung des Berufs über die nächsten Jahre hinaus, forderte Wagner.
Der Vorstandsvorsitzende des
AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, forderte ein neues Rollenverständnis
zwischen den Gesundheitsberufen. Eine “starke, gleichberechtigte Pflege”
würde sich positiv auf die Qualität der Gesundheitsversorgung
auswirken. Litsch sprach sich für eine Akademisierung der Pflege aus.
Auch Wagner will mehr Kompetenzen für Pflegekräfte, auch weil diese gerade in unterversorgten Bereichen oder bei schwer erreichbaren
Zielgruppen die Gesundheitsversorgung verbessern können. Heute dürfen Pflegekräfte viele medizinische Tätigkeiten aber gar nicht ausüben. Daher sollten im Berufs- und
Leistungsrecht dafür die Voraussetzungen geschaffen werden, forderte Wagner. Aus Sicht des
Deutschen Pflegerats könnten Pflegekräfte auch gewisse medizinische
Aufgaben übernehmen und dadurch die Ärzte entlasten.
Gerwerkschaften forderten von der Bundesregierung verbindliche Personalschlüssel für Altenpflege und Krankenhäuser. “Viele Pflegerinnen und Pfleger
flüchten heute geradezu aus dem Beruf, obwohl sie ihn eigentlich
lieben. Das muss anders werden”, sagte eine verdi-Sprecherin dem Handelsblatt.
Der
Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, kritisierte die Arbeitgeber in der Pflegebranche.
Gerade in den östlichen Bundesländern bekämen junge Kräfte oft keine
Vollzeitverträge, weil die Heimbetreiber ihre Dienstpläne lieber mit
Teilzeitkräften gestalten wollten. So gewännen Arbeitgeber keinen
Wettbewerb um Fachkräfte, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dass es überwiegend Teilzeitstellen besonders in der Altenpflege angeboten werden, hat allerdings einen Grund: die meisten Beschäftigten arbeiten heute Teilzeit. Und das wiederum bedingt weitere Teilzeit.
655 Euro
Eigenanteil
zahlen Pflegebedürftige durchschnittlich in Heimen.
Eigenanteil
zahlen Pflegebedürftige durchschnittlich in Heimen.
Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang schlägt eine grundlegende
Reform der Finanzierung vor. Angesichts vermehrter
Pflegebedürftigkeit und steigender Kosten sei die gesetzliche Pflegeversicherung nicht
zukunftsfest finanziert. Die medizinische Behandlung
in Pflegeheimen müsse daher wieder von den Krankenversicherungen übernommen
werden, sagte er im Deutschlandfunk. Ein zweiter Schritt
könnte eine Art Bürgerversicherung sein. Skeptisch zeigte er sich
gegenüber Steuerzuschüssen, die vielfach gefordert wurden.
Angehörige sollen im Heim putzen
Rothgang sprach sich auch dafür aus, die
Eigenanteile der Pflegebedürftigen in Heimen zu begrenzen. Das könne
auch dadurch geschehen, dass “die medizinische Behandlungspflege in
Pflegeheimen wieder zurückgeht an die Krankenversicherung. Das würde die
Eigenanteile im Moment praktisch schon halbieren.” Mit Blick
auf das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung
schlug er vor, die privat Versicherten in das gesetzliche System zu integrieren. Heute seien diese nur solidarisch mit sich selbst. “Wenn die ins
System reinkommen, können wir mit einer Beitragsentlastung von bis zu
einem halben Beitragssatzpunkt rechnen.”
Der CDU-Politiker Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag,
regte an, dass der jeweilige Eigenanteil bei einer
Unterbringung im Pflegeheim gesenkt werden könnte, indem Angehörige im Heim hauswirtschaftliche Leistungen
erbringen könnten. Als Beispiele
für solche hauswirtschaftlichen Leistungen nannte Rüddel Essen reichen oder die Reinigung des Pflegezimmers.
Rüddel
sprach sich auch dafür aus, den Eigenanteil im stationären Bereich zu
deckeln und einen Teil der Pflegeversicherung über Steuerzuschüsse zu
finanzieren. Auch die SPD ist für diesen Vorschlag. Eine entsprechende
Bundesratsinitiative von Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg und Bremen
soll am Freitag beraten werden.
Der Deutsche Pflegetag
ist die zentrale Branchenveranstaltung in Deutschland. Er läuft von
Donnerstag bis Samstag in Berlin, auch mehrere Bundesminister werden auf
der Veranstaltung zu Gast sein.
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