Das Parlament in Großbritannien hat sich für eine Verlängerung der Frist für den EU-Austritt ausgesprochen. 412 Abgeordnete stimmten für den Antrag von Premierministerin Theresa May, 202 dagegen. Wie lange der Brexit verschoben werden soll, blieb offen. Voraussetzung für eine Verlängerung der Frist ist allerdings, dass alle 27 übrigen Mitgliedstaaten das billigen.
Großbritannien wollte sich ursprünglich am 29. März von der EU loslösen. Das Unterhaus lehnte jedoch sowohl den Austrittsvertrag ab, den Premieministerin May mit der EU ausgehandelt hat, als auch einen Austritt ohne Abkommen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor angekündigt, in der Europäischen Union für einen langen Aufschub des Brexits werben zu wollen. Voraussetzung dafür sei, dass Großbritannien eine längere Verschiebung für nötig hält und in London darüber Konsens herrscht. Er kündigte an, für diesen Fall vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche an die Spitzen der Staatengemeinschaft zu appellieren.
Parlament lehnt zweites Referendum ab
Das britische Parlament
hatte sich zuvor gegen eine zweite Volksabstimmung über den EU-Austritt
des Landes ausgesprochen. Eine überwältigende Mehrheit lehnte am Abend
einen Antrag ab, mit dem eine unabhängige Gruppe aus ehemaligen Labour-
und Tory-Abgeordneten eine Verschiebung des Brexits erreichen wollte, um
ein erneutes Referendum organisieren zu können.
Spannend ist nun vor allem die Frage, zu welchem Zweck und wie lange die Abgeordneten in London den Brexit verschieben wollen. May verknüpfte die Abstimmung über die Verschiebung indirekt mit einer Entscheidung über ihr mit Brüssel vereinbartes Brexit-Abkommen. Ihr zufolge sollen die Abgeordneten die Wahl zwischen einer langen und einer kurzen Verschiebung haben.
Nur wenn die Abgeordneten bis zum 20. März – also einen Tag vor dem nächsten EU-Gipfel – für ihren Deal stimmten, sei eine kurze Verschiebung des Austritts bis zum 30. Juni möglich, betonte die Regierungschefin. Jede längere Verschiebung mache eine Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl (23. bis 26. Mai) nötig. Das neu gewählte EU-Parlaments will am 2. Juli erstmals zusammentreten.
Zweimal haben die Parlamentarier den Austrittsvertrag, den May im vergangenen Jahr mit der EU ausgehandelt hatte, schon abgelehnt – zuletzt am vergangenen Dienstag. In Großbritannien wird spekuliert, dass sie die nächste Abstimmung für kommenden Dienstag ansetzen könnte.
Mit der Zustimmung Brüssels für eine Brexit-Verschiebung wird gerechnet. Allerdings gibt es auf EU-Seite noch keine einheitliche Linie. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich zuletzt für eine höchstens kurze Verschiebung ausgesprochen. Der Brexit solle vor der Europawahl Ende Mai abgeschlossen sein, erklärte er in einem Brief an Tusk vom Montag.
Einen Austritt ohne Abkommen will das Unterhaus auch nicht
Am Mittwochabend hatte das Unterhaus gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen gestimmt. Die Abgeordneten verabschiedeten mit 321 zu 278 Stimmen einen Beschluss, der einen ungeordneten Brexit – anders als von der Regierung gewollt – in jedem Fall ablehnt. Die Entscheidung ist allerdings rechtlich nicht bindend. Ein sogenannter No Deal hätte weitreichende negative Folgen für die Wirtschaft und andere Bereiche.
Knackpunkt im Brexit-Streit ist der sogenannte Backstop. Das ist eine im Austrittsabkommen festgeschriebene Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der Europäischen Union bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner fürchten, das könnte das Land dauerhaft an die Staatengemeinschaft fesseln und eine eigenständige Handelspolitik unterbinden. Sie hatten daher eine zeitliche Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop gefordert.
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