Die gesetzliche Pflegeversicherung hat im
vergangenen Jahr ein erhebliches Defizit eingefahren. Nach aktuellen
Zahlen des GKV-Spitzenverbands, die dem Tagesspiegel vorliegen, belief
sich das Minus der Pflegekassen für 2018 auf 3,55 Milliarden Euro. Die
Rücklagen schmolzen dadurch auf rund 3,4 Milliarden zusammen. “Ohne die
jüngste Beitragserhöhung hätten wir jetzt ein erhebliches finanzielles
Problem”, sagte der für die Pflege zuständige Spitzenverbands-Vorstand
Gernot Kiefer.
Dank
der Beitragsanhebung zum Jahresbeginn von 2,55 auf 3,05 Prozent (für
Kinderlose von 2,8 auf 3,3 Prozent) bestehe die Chance, die Rücklagen
wieder aufzufüllen, erläuterte Kiefer. “Gute sechs Milliarden sollten es
sein, alles andere wäre kritisch.” Wenn die positive Entwicklung auf
dem Arbeitsmarkt anhalte, könne man rechnerisch dann wohl bis 2021 mit
dem neuen Beitragssatz auskommen, so seine Prognose. Allerdings bringe das Reformprogramm von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch nennenswerte Ausgabensteigerungen mit sich. Ein Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung sei dringend nötig, sagte Kiefer.
Als
Gründe für das aktuelle Milliarden-Defizit nannte der Kassenvorstand
vor allem die Pflegestärkungsgesetze der vergangenen Legislatur. Dadurch
hätten deutlich mehr Menschen Leistungsansprüche als vorher,
insbesondere Demenzkranke, was überfällig gewesen sei Tatsächlich hat
sich die Zahl der Leistungsberechtigten in der Pflegeversicherung seit
Inkrafttreten der Gröhe-Gesetze Anfang 2017 um eine halbe Million auf
rund 3,4 Millionen erhöht.
Lauterbach: Minus ist Folge notwendiger Leistungsverbesserungen
Bei
dem Defizit handle es sich um “Folgen einer verbesserten
Pflegeleistung, die unbedingt notwendig ist” , sagte der
Gesundheitsexperte und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im
Bundestag, Karl Lauterbach. “Das wollen und wünschen wir. Wir müssen
aber verhindern, dass der Eigenanteil für Pflegebedürftige weiter
steigt.”
Lauterbach begrüßte einen
entsprechenden Bundesrats-Vorstoß von Hamburg, Berlin,
Schleswig-Holstein und Bremen. Langfristig benötige man in der
gesetzlichen Pflegeversicherung aber noch mehr, sagte er: eine
Vollkasko-Absicherung und die finanzielle Beteiligung aller Bürger, also
auch von Beamten und Gutverdienern. Steuerzuschüsse zur
Pflegeversicherung, wie von den Ländern ebenfalls gefordert, lehnte
Lauterbach ab, weil dadurch die bisherigen Beitragszahler nochmals
mitbelastet würden.
Steuerzuschüsse gefordert
Kiefer dagegen bekräftigte die Forderung nach
Steuerzuschüssen. Zur Begründung verwies er auf versicherungsfremde
Leistungen, die von den Pflege-Beitragzahlern erbracht würden. Diese
summierten sich pro Jahr auf 2,7 Milliarden Euro. Größter Posten dabei
sei die Kostenübernahme für Rentenanwartschaften von pflegenden
Privatpersonen. Der Kostenaufwand allein dafür belaufe sich auf zwei
Milliarden Euro jährlich – “mit stark steigender Tendenz”.
Bei
der vorgeschlagenen Deckelung des Eigenbeitrags von Pflegebedürftigen,
wie ebenfalls von Hamburg, Bremen, Berlin und Schleswig-Holstein
gefordert, sieht Kiefer noch Diskussionsbedarf. Dies wäre
“sozialpolitisch fragwürdig”, sagte er, weil
die jeweiligen Eigenanteile und auch die Betroffenen in ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehr unterschiedlich seien.
Nötig seien vielmehr bedarfsorientierte Hilfen und eine “verlässliche,
kriteriengestützte Dynamisierung der Versicherungsleistungen”. Als
Grundlage dafür verlangte der Verbandsvorstand regelmäßige
Kostenüberprüfungen auf der Basis eines “Warenkorbs für
Pflegeleistungen”, den das Statistische Bundesamt zu ermitteln habe.
Dem Kassenverband zufolge liegt der durchschnittliche Eigenanteil von
Pflegebedürftigen in Deutschland derzeit bei 655 Euro. Dazu kommen
zusätzliche Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Heiminvestitionen
von rund 1150 Euro. Der
Anteil derer, die damit überfordert sind und deshalb Hilfe zur Pflege
als Sozialleistung benötigen, betrug unter den Heimbewohnern zuletzt 37
Prozent.
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