In mehreren Ländern Asiens und
Afrikas, darunter Nepal und Kamerun, sollen bewaffnete Ranger Menschen
gefoltert, misshandelt und getötet haben. Einige der Täter seien staatlichen Ranger gewesen, die vom WWF mitfinanziert und
unterstützt wurden. Es
sind gravierende Vorwürfe, die das US-Magazin “BuzzFeed News” nach intensiven
Recherchen in mehreren Berichten gegen den WWF International erhebt. Von organisierten Überfällen auf Dorfbewohner ist die Rede. In einigen Fällen sollen örtliche Soldaten zum bewaffneten
Einsatz gegen Wilderer rekrutiert worden sein. Der Geschäftsführer des WWF Deutschland, Christoph Heinrich, äußert sich in diesem Interview mit ZEIT ONLINE erstmals nach den schweren Anschuldigungen gegen ausländische Büros der weltweit tätigen NGO.
ZEIT
ONLINE: Herr Heinrich, was wissen Sie
als Vertreter des WWF Deutschland bislang über die von BuzzFeed News aufgedeckten Fälle und was nicht?
Christoph Heinrich: Auch wenn wir unter oft schwierigen
Situationen in sehr abgelegenen Regionen arbeiten, hat die Achtung der
Menschenrechte in allen Fällen immer eine oberste Priorität für uns. Wir waren
daher von den schwerwiegenden Vorwürfen aus den BuzzFeed-Artikeln sehr betroffen.
Wir haben sofort ein internationales Krisenteam eingerichtet und zusammen mit
externen Menschenrechtsexperten eine umfassende Untersuchung eingeleitet. Bis
wir hier substanzielle Ergebnisse haben, wird es leider etwas dauern. Sollten
sich einige der Vorwürfe bewahrheiten, werden wir in jedem belegbaren Fall sehr
klare Konsequenzen ziehen. Im Kampf gegen die Wilderei stehen wir einem
milliardenschweren mafiösen und gewalttätigen Geschäft gegenüber. Ranger setzen
dabei ihr Leben aufs Spiel, trotzdem dürfen sie dabei selbst nicht zu Tätern
werden.
ZEIT
ONLINE:
Grundsätzlich basiert die Arbeit des WWF bei vielen Natur- und
Artenschutzprojekten in aller Welt darauf, dass internationale und einheimische
Umweltschützer mit den lokalen Behörden und Institutionen eng zusammenarbeiten.
Dazu zählen gerade in der Wildereibekämpfung auch die örtliche Polizei,
manchmal das Militär. Die Idee dahinter: Nur wer die Strukturen, die Politik,
die Interessen der Bevölkerung und die Kultur eines Landes einbezieht, kann
wirksamen und nachhaltigen Naturschutz betreiben. Allerdings, so der Vorwurf,
der in den BuzzFeed-Berichten deutlich wird, habe der WWF in den
skizzierten Fällen inakzeptable Grenzen überschritten und vor allem die
Zusammenarbeit nicht beendet, selbst als Missstände bekannt wurden. Nach
welchen Standards und Regeln wählt der WWF die lokalen Partner und Mitarbeiter
in Projektgebieten normalerweise aus?
Heinrich: Der WWF ist in seinen Naturschutzprojekten
immer auf die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und den Menschen vor Ort
angewiesen. Wir ermöglichen, unterstützen und beraten, aber niemals in der Rolle
der Polizei oder der Staatsgewalt. Schutzgebiete und Nationalparks sind nämlich
staatliches Eigentum. Wer sich dort engagiert, kommt nicht umhin, mit
staatlichen Akteuren wie Schutzgebietsbehörden, Polizei und ganz selten mit der
Armee zusammenzuarbeiten – auch dann, wenn diese Staaten unserem Verständnis
von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entgegenstehen. Für uns ist aber nicht
das staatliche Verständnis bindend, sondern unser eigenes. Und wir haben ein
strenges Verständnis unter anderem in Bezug auf Menschenrechte, das wir in
Richtlinien formuliert haben, sogenannten social and environmental policies. Wie
die meisten großen Organisationen erarbeiten auch wir zurzeit sogenannte
Safeguards. Diese sollen sicherstellen, dass kein Projekt entwickelt oder
umgesetzt wird, ohne dass die Menschenrechte, aber auch soziale Fragen und
Gendergerechtigkeit integriert werden.
ZEIT
ONLINE: Wie
wird normalerweise kontrolliert – durch den WWF selbst oder von außen
–, dass diese Standards eingehalten werden?
Heinrich: Die Projektkoordinatoren aus Deutschland sind
regelmäßig vor Ort, überprüfen unsere Arbeit und entwickeln dabei ein gutes
Verständnis für die Herausforderungen und Schwierigkeiten. Wir haben zudem in
allen Projektgebieten Whistleblower-Hotlines eingerichtet, um es jeder
WWF-Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter auf der ganzen Welt zu ermöglichen,
sich anonym bei einer unabhängigen Beschwerdestelle zu melden, falls sie oder
er sich nicht traut, den Vorgesetzten zu informieren – oder der Vorgesetzte gar
in einen Verstoß verwickelt sein sollte. Sollten unsere eigenen Kollegen von Missständen und
gar Menschenrechtsverletzungen erfahren, so sind sie gehalten, dies intern
ihren Vorgesetzten oder der Geschäftsleitung des WWF Deutschland mitzuteilen.
ZEIT
ONLINE:
Wenn zu Teilen stimmt, was BuzzFeed News recherchiert hat: Wurden diese
Standards dann eindeutig missachtet?
Heinrich: Auch wenn es schmerzhaft ist: Wir sind für
Hinweise auf mögliche Verletzungen unserer Standards immer dankbar. Daher
untersuchen wir einerseits selbst die aktuellen Vorfälle gewissenhaft und
umfassend. Wir erkennen aber an, dass
eine WWF-interne Aufarbeitung angesichts der Schwere der Vorwürfe alleine nicht
ausreichend wäre. Wir lassen daher alle Vorwürfe von einer unabhängigen
internationalen Rechtsanwaltskanzlei untersuchen. Der WWF Deutschland hat zudem
entschieden, sein Engagement insgesamt unter Menschenrechtsaspekten externen
Fachleuten analysieren zu lassen. Dafür konnten wir den ehemaligen
Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, gewinnen. Einen
ersten Zwischenbericht, den wir auch veröffentlichen werden, erwarten wir für
April.
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