Der Ex-Außenminister Klaus Kinkel war ein unaufgeregter Fachmann, der die große Bühne nie gesucht hat. Die fehlende Parteierfahrung kostete ihn schließlich das Amt.
5. März 2019, 16:16 Uhr
Klaus Kinkel war kein typischer Berufspolitiker. Das hat er selbst gern betont. Tatsächlich war seine Karriere unkonventionell – zumal für die Bundesrepublik ab 1950, jene goldene Ära des westdeutschen Parteiensystems. Kinkel hatte, bevor er an die Spitze kam, keine Ochsentour in seiner Partei absolviert, er hatte keine Wahlen gewonnen oder mitreißende Interviews gegeben.
Überhaupt war er der FDP erst 1991 beigetreten, nachdem die ihn zum Bundesjustizminister gemacht hatte. Schon zwei Jahre später wurde er ihr Parteivorsitzender. Außerdem war er von 1992 bis 1998 Außenminister und von 1993 bis 1998 deutscher Vizekanzler. Eine größere Machtfülle kann ein Liberaler in der Bundesrepublik kaum erlangen.
Kinkel war ein erfahrener Spitzenbeamter. Ein weithin geschätzter Experte, ein versierter Jurist. Schon in den Siebzigerjahren hatte er für Hans-Dietrich Genscher, den langjährigen Frontmann der FDP, als Referent und Büroleiter gearbeitet. Von 1979 bis 1982 war Kinkel Leiter des Bundesnachrichtendienstes, danach fast ein Jahrzehnt Staatssekretär im Justizministerium. In Fachkreisen galt er als Macher im Hintergrund, als Kenner der komplexen politischen Materie, als Profi in der zweiten Reihe.
Die FDP sehnte sich nach Ruhe
Es war also nicht unbedingt zu erwarten gewesen, dass er Genscher im Amt des Außenministers nachfolgen und ein Jahr später Parteichef und Vizekanzler werden würde. Seine Nähe zu Genscher hatte dazu beigetragen. Aber auch das Bedürfnis der FDP nach Ruhe und Seriosität in dieser Zeit.
Denn im selben Jahr, im Januar 1993, war Jürgen Möllemann, ein ebenso virtuoser wie unberechenbarer Wahlkämpfer, als Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister zurückgetreten. Er hatte mit dem offiziellen Briefpapier des Ministeriums für eine Geschäftsidee eines Verwandten geworben. Möllemann und sein effektheischender, nicht selten populistischer Politikstil galten zunächst als diskreditiert. Auch das Ansehen anderer FDP-Spitzenpolitiker litt in dieser Zeit unter diversen Affären oder Wahlniederlagen in den Bundesländern.
Kinkel war gewissermaßen der Anti-Möllemann. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen und erschien als bestmöglicher Kompromisskandidat.
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