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Donald Trump und Kim Jong Un: Für den Friedensnobelpreis ist es jetzt zu spät

Unverrichteter Dinge musste
US-Präsident Donald Trump vorige Woche aus Hanoi abziehen. Bei seinem zweiten Treffen
mit Kim Jong Un
, acht Monate nach der ersten Begegnung in Singapur, fand der
laut seiner eigenen Beschreibung “geniale Verhandler” in dem nordkoreanischen
Diktator seinen Meister. Es blieb ihm nur der überstürzte Abbruch: “Manchmal
muss man aufstehen und davon gehen.”

In der überschwänglichen Erwartung
eines großen Ausgleichs zwischen den USA und Nordkorea hatte Trump den
japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe dazu gebracht, ihn für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen; unbedingt wollte er mit seinem Vorgänger
Barack Obama gleichziehen. Die Hoffnung darauf muss er sich nun abschminken. Der
Durchbruch ist ausgeblieben.

In Singapur hatten sich Trump und
Kim auf vier vage Ziele geeinigt: Verbesserung der Beziehungen, Schaffung eines
“dauerhaften und stabilen Friedensregimes” und “vollständige Entnuklearisierung
der koreanischen Halbinsel”, schließlich die Heimführung von Gebeinen der im
Koreakrieg 1950-53 Gefallenen. Nur aus dem letzten Punkt ist etwas geworden,
alles andere blieb unbestimmt und ungeklärt. Den Beweis für seine Behauptung, es gebe keine nukleare Bedrohung mehr aus Nordkorea, blieb Trump schuldig.
Doch  blieben Amerikaner und Nordkoreaner
im Gespräch. Der Präsident und der Vorsitzende tauschten “schöne Briefe” aus,
so Trump (“we fell in love”) und
nährten Spekulationen auf entscheidende Fortschritte in Hanoi: eine
Friedenserklärung, die nach fast siebzig Jahren den Weg zu einem
Friedensvertrag öffnen könnte; die Einrichtung von botschaftsähnlichen
Verbindungsbüros; die förmliche Beendigung von Atom- und Raketentests; nicht
zuletzt die Öffnung Nordkoreas für internationale Inspektion. Aus alledem ist
nichts geworden.

Hätte Trump auf seine Berater
gehört, wäre ihm die Blamage von Hanoi erspart geblieben. Im Vorfeld schon
sagte sein Außenminister Mike Pompeo, er glaube nicht, dass Nordkorea sein
Atomwaffenprogramm so rasch aufgeben werde. Selben Sinnes erklärte der
US-Geheimdienstchef Dan Coats im Kongress, er gehe davon aus, dass Kim
versuchen werde, seine Kernwaffen und seine Produktionskapazität zu behalten.
Der amerikanische Korea-Unterhändler Stephen Biegun räumte sogar ein, dass man
sich bisher nicht auf eine Definition des Begriffs “Entnuklearisierung der
koreanischen Halbinsel” habe einigen können. Das Regime in Pjöngjang versteht darunter wohl
auch den Abzug der amerikanischen Truppen und ihrer Atomwaffen aus Südkorea und
Umgebung.

Trumps Drang, sich nobelpreisreif in
Szene zu setzen, bewog ihn, die Warnungen und Mahnungen alle in den Wind zu
schlagen. Auch Kim Jong Uns Neujahrsansprache konnte seine Euphorie nicht
dämpfen, obwohl sie mehr als deutlich war: “Wenn die USA nicht ihre Sanktionen
und ihre Pressionen einstellen, könnten wir uns gezwungen sehen, einen neuen
Weg zu erkunden, um die Souveränität unseres Landes und die nationalen
Interessen unseres Staates zu verteidigen.” Doch Trump verließ sich, anstatt
seine Diplomaten ihre Hausaufgaben machen zu lassen, lieber auf seine
Überredungskunst. Vergebens.

Gipfel – »Trump hat nichts bekommen«
Das Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong Un ist gescheitert. Unser Reporter Frederic Spohr berichtet aus Hanoi.

Bis heute ist nicht klar, woran
der Hanoi-Gipfel gescheitert ist. Trump behauptete, die Nordkoreaner hätten im
Grunde gewollt, dass die Sanktionen in Gänze aufgehoben würden. Ganz anders
jedoch beschrieb der nordkoreanische Außenminister Ri Yong Ho das Angebot
Pjöngjangs: “Wenn die Vereinigten Staaten die UN-Sanktionen teilweise aufheben,
besonders die Teile, die die zivile Wirtschaft und die Lebensgrundlage unseres
Volkes beeinträchtigen, werden wir im Beisein von amerikanischen Fachleuten
nachhaltig und vollständig alle Produktionsstätten für  spaltbares Material in der Yongbyon
zurückbauen, einschließlich Plutonium und Uran.” Dies sei der “größte
Entnuklearisierungsschritt, den wir derzeit machen können”, fügte Ri hinzu.

Ein Abrüstungsangebot war dies
natürlich nicht. Seine atomare Lebensversicherung wird Kim nicht für ein
unbestimmtes Programm wirtschaftlicher Hilfe aufkündigen. Aber warum konnten
sich die Amerikaner nicht auf eine teilweise und schrittweise Aufhebung der
Sanktionen im Gegenzug für eine graduelle Annäherung an ein
Rüstungskontrollabkommen einlassen? Jetzt hat Trump Nordkorea praktisch als
Atomwaffenstaat anerkannt. Es eile im nicht mit der Abrüstung, “solange sie
nicht wieder testen, sind wir happy.” Das sagt der Mann, der das von Obama
unterschriebene Iran-Abkommen nicht genug kritisieren kann. Immerhin ließ
die Regierung in Teheran für die Einstellung der Sanktionen 97 Prozent ihres Urans außer Landes
bringen, stellte die Anreicherung von waffenfähigem Nukearmaterial bis 2030 ein
und unterwarf sich der strengen Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde. Trump jedoch steht mit leeren Händen da. Keine
Friedenserklärung, keine Abrüstung, nicht einmal eine Beendigung der
nordkoreanischen Anreicherung – nur die Abmachung, weiter miteinander zu reden.
Auch bleibt es wohl bei der Einstellung der Atom- und Raketenversuche und bei
der Aussetzung der amerikanisch-südkoreanischen Großmanöver.

Donald Trumps Methode der
persönlichen Außenpolitik ist in vollem Umfang gescheitert. Erst versuchte er
es mit der Androhung von “Feuer und Zorn” und “totaler Vernichtung”, mit
hämischen Bemerkungen über den “wahnsinnigen Little Rocket Man” und mit einem Trommelfeuer von Sanktionen. Dann
schaltete er um auf übertriebene Schmeichelei – was für “ein großer Anführer”!
“Ein toller Kerl und quite a character – ein
cooler Typ!” Und zuletzt glaubte er, Kim für ein grand bargain, ein “großes Geschäft” gewinnen zu können: Nordkorea
gibt all seine Atomwaffen, sein Spaltmaterial und seine Produktionsstätten auf,
dafür beenden die USA ihre Sanktionen und bieten Wirtschaftshilfe, um Nordkorea
zu einer “ökonomischen Rakete” zu machen. Keine dieser Methoden funktionierte.
Jetzt ist wieder die professionelle Diplomatie am Zug.

Über das Nuklearabkommen mit dem
Iran ist zwölf Jahre lang verhandelt worden. Mag sein, dass es bis zu einer
Einigung mit Nordkorea ebenso lang dauern wird – bis 2030 also. Kim Jong Un,
dann 46 Jahre alt, wird bis dahin wohl noch im Amt sein; er könnte noch mehrere
US-Präsidenten überdauern. Donald Trump aber wird seit fünf, vielleicht auch
schon seit neun Jahren sein Pensionärsdasein genießen. Für ihn käme der
Nobel-Friedenspreis jedenfalls zu spät.

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