/Opernsänger: “Ich hatte keine Lust, mein ganzes Leben wie ein Student zu leben”

Opernsänger: “Ich hatte keine Lust, mein ganzes Leben wie ein Student zu leben”

Als Solist sang er an einem der größten Opernhäuser Deutschlands – für 1.765 Euro im Monat. Dann entschied er, dass er sich auch mal was leisten wollte.

Alter:
34
Jahre

Beruf:
Opernsänger

Gehalt:
2.000
Euro brutto, das ist der aktuelle Mindestlohn

Ich
weiß bis heute nicht genau, warum ich beschlossen habe, Solist zu
werden. Es war eine Bauchentscheidung. Ich erinnere mich noch, wie
meine Eltern nach einem meiner ersten Jazzkonzerte zu mir kamen und
sagten: “Wir wussten gar nicht, dass du so eine schöne Stimme
hast.” Mit 15 sang ich im Vokalensemble der Universität in meiner
Heimatstadt. Mit 17 oder 18 entschied ich: Ich mache das jetzt, ich
werde Solist. Ich wusste damals nicht, worauf ich mich einlasse. Aber
ich wollte singen. Also suchte ich mir einen Gesangslehrer, nahm zwei
Jahre Unterricht und bewarb mich nach dem Abitur an einer staatlichen
Hochschule. Auf einen von zehn Plätzen. Mit 400 anderen Bewerbern.
Mich haben sie genommen.

Ich
habe acht Jahre Gesang auf Diplom studiert, bekam Einzelunterricht in
Gesang und hatte Kurse in Fächern wie Sprachtraining, Tanz und
Bühnenfechten. Nach dem Studium wurde ich von der Staatsoper der
Stadt übernommen, einem der größten Opernhäuser Deutschlands,
allerdings erst einmal nur für ein sogenanntes Opernstudio, ähnlich
wie ein Volontariat: Ich bekam weiterhin ein paar Gesangskurse an der
Hochschule und arbeitete gleichzeitig zu 50 Prozent an der Staatsoper.

Ich verdiente damals
825 Euro brutto im Monat, das entsprach einem halben Mindestlohn für
Solisten. Davon blieben mir ungefähr 600 Euro netto – plus 120
Euro brutto pro Vorstellung, die ich am großen Haus der Staatsoper sang,
was unregelmäßig vorkam. Ohne Nebenjob war das gar nicht
denkbar, deshalb arbeitete ich weiter als Hilfskraft für meinen
Professor und bei einem Start-up. Für meinen Hilfsjob an
der Uni bekam ich einen höheren Stundenlohn als an der Oper, das
muss man sich mal vorstellen! Durch die Nebenjobs
konnte
ich mir zumindest ein altes Auto leisten, für die meisten anderen
war nicht einmal das drin.

Trotzdem
war das damals wie der Hauptgewinn. Aus meinem gesamten Unijahrgang
bekam außer mir nur noch ein anderer einen solchen Studiovertrag an
einer Staatsoper.

Nach
den zwei Jahren stellte mich die Staatsoper für ein paar Monate als
Bassbariton ein. Eine volle Stelle für 1.765 Euro brutto,
etwas mehr als der damalige Mindestlohn für Solisten. 2012 lag der
noch bei 1.650 Euro brutto, heute beträgt er 2.000 Euro. Der
Mindestlohn wird von der Bühnengenossenschaft für die Berufsgruppen
Solo,
Tanz, Opernchor, Ausstattung, Technik und Verwaltung ausgehandelt
und gilt für Oper und Theater. Er ist meist nicht nur die untere
Grenze, sondern tatsächlich der normale Einstiegslohn. Viel Luft
nach oben gibt es meist auch nach Jahren nicht.

Meine
Arbeitszeiten waren sehr unterschiedlich, weil die Stücke unregelmäßig aufs Jahr verteilt sind. In den Hochphasen
war ich jeden Tag mindestens acht Stunden an der Oper, auch am Wochenende: vier
Stunden vormittags für Proben und vier Stunden nachmittags für
weitere Proben oder eine Vorstellung. Und dann muss man sich auch
noch auf den nächsten Probentag vorbereiten, also Texte und neue
Noten lernen.

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