Sein Berserkertum war nur ein Rollenspiel: Keith Flint, Sänger der britischen Big-Beat-Band The Prodigy, ist mit 49 Jahren gestorben. Ein Nachruf
Fies, wie es schnarrt, tschackert und rumpelt. Aber böser noch klingt die Stimme des Sängers, der in dieses Gebretter aus Breakbeats und Ultrabässen herrische Sätze hineinplärrt: “I’m the trouble starter, punkin’ instigator/ I’m the fear addicted, a danger illustrated.” Wer Ärger haben will, der soll ihn haben, mit diesem Angsteinflößer, Arschaufreißer, Aasgeier.
Firestarter, so der Titel der Selbstbezichtigung, war der ultimative Hit der Big-Beat-Band The Prodigy. Nach seiner Veröffentlichung im März 1996 eroberte er den Spitzenplatz der britischen Charts und blieb über ein Jahr lang auf der Liste. Das Video zeigt, wie sich der Sänger Keith Flint in einem U-Bahn-Schacht für einen Zweikampf warm zu machen scheint. Wahrscheinlich hätte ein Blick des Mannes, dessen Markenzeichen seine Punkfrisur mit Teufelshörnern war, genügt, um jeden Zug zum Entgleisen zu bringen.
Zusammen mit den Chemical Brothers und Fatboy Slim gehörten The Prodigy zur zweiten Generation von Musikern, die Rock und Rave fusionierten. Was mit illegalen, von mobilen Soundsystemen beschallten Partys auf abgelegenen Wiesen begonnen hatte, brachten sie in die Rockstadien. Gegründet worden war die nach einem Moog-Synthesizer benannte Band vom Songwriter und Keyboarder Liam Howlet in der südenglischen Grafschaft Essex.
Keith Flint stieg 1990 in das Projekt ein, zunächst als Tänzer, seine Karriere als Sänger neben dem Rapper Maxim begann mit Firestarter. Ihr erster Live-Auftritt fand in London statt, danach nahmen The Prodigy ein Demo auf, das ihnen einen Vertrag mit dem Independent-Label XL Recordings verschaffte. Mit der dritten Single Everybody in the Place schafften sie es auf den zweiten Platz der britischen Hitparade, hinter Bohemian Rhapsody von Queen, das nach dem Tod von Freddie Mercury noch einmal herausgekommen war. The Prodigy – englisch für Wunder und Wunderkind – wurden zu einer der kommerziell erfolgreichsten elektronischen Formationen, sie verkauften weltweit rund 30 Millionen Tonträger.
Die Wut muss raus
Das Video zu Firestarter, für das der Sänger den Text geschrieben hatte, wurde von der BBC aus dem Programm geworfen, nachdem es in der Sendung Top of the Pops gelaufen war. Eltern hatten sich in Briefen darüber beschwert, dass es ihren Kindern Angst gemacht habe. In Wirklichkeit war das Berserkertum ein Rollenspiel. Flint, 1969 als Kind einer Mittelschichtsfamilie in Essex geboren, wurde als empfindsam und scheu beschrieben, er kochte gern und beobachtete Vögel. Die Wut sollte auf dem Dancefloor raus, das Heil lag im Funky Shit, so der Titel eines Tracks. Im November 2018 veröffentlichte die Band ihr siebtes Studioalbum No Tourists, wieder eine Nummer Eins in Großbritannien. Ein Konzert in der Berliner Max-Schmeling-Halle wurde von 11.000 Zuschauern besucht.
Zufrieden mit den Entwicklungen in der Popbranche war der Sänger trotzdem nicht. “Alles ist durchkommerzialisiert, es gibt keinen Underground mehr”, klagte er in einem Interview. “Als wir zu XL Recordings kamen, wollten sie gefährlich und aufregend werden, weil wir gefährlich und aufregend waren. Aber heute ist niemand mehr da, der gefährlich sein möchte.”
Keith Flint ist im Alter von 49 Jahren tot in seinem Haus aufgefunden worden. Er soll, wie sein Bandkollege Liam Howlett auf Instagram mitteilte, Suizid begangen haben.
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