/Asiatische Unternehmen: “Gelbe Gefahr”? Bitte nicht!

Asiatische Unternehmen: “Gelbe Gefahr”? Bitte nicht!

Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter
ist der Titel einer
Lithografie
, die der deutsche Künstler Hermann Knackfuss 1895 nach einem Entwurf Kaiser
Wilhelms II. anfertigte. Man sieht auf ihr den Erzengel Michael mit seinem Flammenschwert, wie
er die Nationen des Kontinents, verkörpert durch walkürenartige Frauengestalten, vor einer aus
dem Osten, aus Asien kommenden Gefahr warnt. Diese morgenländische Bedrohung erscheint auf dem
Bild kurioserweise in Gestalt eines in gewitterschweren Wolken heranschwebenden Buddhas im
Lotussitz.

Heute wäre es wahrscheinlich ein Mobiltelefon, das man im unheilschwangeren Anflug gen Europa
zeigen würde, um die Gefahr der Überwältigung durch China zu illustrieren. Ansonsten jedoch
wirkt die Panikstimmung, die aus der kaiserzeitlichen Propagandazeichnung spricht, auf einmal
wieder überraschend aktuell und vertraut. Die Angst vor chinesischer Expansion und
Unterwanderung ist ein wichtiger Faktor in der westlichen, europäischen und deutschen Politik
geworden.

Massive antichinesische Vorbehalte gibt es längst nicht mehr nur in Washington, das mit
Peking in einer zunehmend scharfen Großmachtrivalität um die Vorherrschaft in Asien steht.
Erwerbungen wichtiger europäischer Unternehmen durch chinesische Firmen stoßen inzwischen auf
Misstrauen und Widerstand. Die Beteiligung des Geräteherstellers Huawei am Aufbau des
5G-Mobilfunknetzes im Westen wird wegen Sicherheitsbedenken in Zweifel gezogen. Die
Wirtschaftsminister Frankreichs und Deutschlands haben eine industriepolitische Strategie
vorgelegt, die das Wettbewerbsprinzip aufweichen soll, um den Großkonzernen des Pekinger
Staatskapitalismus massigere europäische Unternehmens-“Champions” entgegensetzen zu können. Es
herrscht ein Klima der Abwehr, des Mauer- und Festungsbaus, wenn es um das Verhältnis zu China
geht.

Ein unangenehmer Ton von Wehleidigkeit prägt den Diskurs.

In der Tat ist Wachsamkeit richtig. Es wäre naiv, die partei- und regierungsnahen
chinesischen Firmen als rein ökonomisch motivierte Akteure zu behandeln. Sie werden von Peking
politisch gestützt, sie können aus Peking politisch instrumentalisiert werden, und daher ist
es legitim, ihr Tun auf politisch relevanten Feldern streng zu kontrollieren. Die
lebenswichtigen Infrastrukturen westlicher Gesellschaften dürfen nicht von China aus gleichsam
zusammengerollt und abgeräumt werden können.

Gleichzeitig ist unübersehbar, wie unsouverän und suspekt die neue China-Skepsis vielfach
daherkommt. Oft ist ein unangenehmer Ton von Wehleidigkeit oder Ressentiment herauszuhören;
auch der Bundesverband der Deutschen Industrie, diese bewährte Lobby der Marktwirtschaft,
wünscht sich gegen Peking mehr staatliche Protektion. Die angebliche Unfairness oder
Sicherheitsbedenklichkeit chinesischer Unternehmen kann zur Ausrede für westliche Firmen
werden, die in Wahrheit bloß den Wettbewerb scheuen. Wie übrigens auch die amerikanischen
Beschwerden über die Unverfrorenheit, mit der sich Peking in seiner Weltgegend machtpolitisch
breitmache, eigentümlich hohl klingen. In welchem bisher unbekannten himmlischen Dokument hat
eigentlich Gott der Herr den Vereinigten Staaten die selbstverständliche, unangefochtene
Hegemonie über Asien vertraglich zugesichert?

Die Erinnerung an das wilhelminische Gerede von der “gelben Gefahr” legt es jedenfalls nahe,
mit der angstvollen Mobilisierung gegen asiatische Konkurrenz ein bisschen vorsichtig zu sein.
In Wahrheit waren es nicht ihre “heiligsten Güter”, die imperialistisch gesinnte Europäer um
1900 durch ein unruhiges China und ein erfolgreiches Japan bedroht sahen. Es waren vielmehr
ihre Interessen und ihre Macht. Damals begann bereits der welthistorische Prozess, in dem
nicht westliche, besonders asiatische Völker die Dominanz der Europäer und Amerikaner infrage
stellten. In unseren Tagen hat diese Entwicklung eine beispiellose Dynamik angenommen. Sie ist
es, nicht irgendwelche Betrügereien oder Spähaktionen, der China letztlich seinen Aufstieg
verdankt. Dagegen kann der Westen keine Abwehrmaßnahmen ergreifen und sollte es auch gar nicht
erst versuchen. Damit muss er einfach seinen Frieden schließen.

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