Es ist drei Uhr morgens, als eine gewaltige Detonation die deutschen Soldaten aus dem Schlaf reißt. Die Druckwelle presst Fenster und Türen aus den Verankerungen, der Boden zittert. Hauptmann Stefan treibt seine Soldaten aus dem Gebäude und lässt sie in Stellung gehen. Vom Stab der EU-Ausbildungsmission EUTMM in Mali laufen die Informationen ein. Am Eingangstor der Kaserne hat sich ein Selbstmordattentäter mit 500 Kilogramm Sprengstoff in die Luft gejagt. Doch der Terrorangriff wird abgewehrt. Es stirbt niemand außer dem Attentäter, er kommt nicht weiter als bis zum Tor Papa 2.
Das war am Sonntag vor fünf Tagen. Am Donnerstag dann traf der deutsche Außenminister zu einem Besuch in der EU-Ausbildungsmission in Koulikoro in Mali ein. Heiko Maas sah die Verwüstungen: die verglühten Reste des Attentäterautos, die aufgeplatzten Sandwälle, die zerfetzten Bäume, das zerstörte Tor. Das beeindruckt. Als Maas vor den deutschen Soldaten steht, wirbt er für mehr Geld. “Die Bundeswehr ist lange kaputtgespart worden”, sagt der Außenminister. Es sei höchste Zeit, dass “ausreichend Mittel für Ausrüstung, Bezahlung und Schutz der Soldaten” zur Verfügung gestellt werden. Der Einsatz sei begrenzt, aber “begrenzt kann heißen, dass es noch einige Jahre dauert”.
Die Bundeswehr hat sich hier eingegraben in der Kampfzone Westafrikas. Vor allem Mali, aber auch seine Nachbarstaaten Burkina Faso und Niger sind in ganz ähnliche Konflikte verwickelt. Die Bevölkerung wächst rasant, Frauen gebären bis zu sieben Kinder. Der Klimawandel verschärft die Konkurrenz um Wasser und urbares Land. Dazu kommen ethnische Konflikte und Stammesfehden. Und das nutzen Terrorgruppen, lokale Milizen und Kriminelle aus, um die Staaten zu zerrütten.
Haushohe Sandsäcke sichern die Kaserne
Mali war bis 2013 in einen Krieg zwischen der Regierung und einer Koalition aus Touareg-Stämmen und Terroristen versunken. Die Intervention Frankreichs dämmte den Krieg 2013 ein. Jetzt muss der Frieden gewonnen werden. Deshalb hat sich die Bundesregierung vor fünf Jahren entschieden, die Bundeswehr nach Mali zu schicken, um das Friedensabkommen abzusichern.
Der deutsche Anteil an der europäischen Ausbildungsmission im westmalischen Koulikoro ist dabei mit 160 Soldaten noch vergleichsweise klein. Deutlich größer ist der Einsatz im Osten Malis nahe der Stadt Gao. Camp Castor, so heißt die Kaserne, in der das deutsche UN-Kontingent mit rund 700 Soldaten stationiert ist. Panzersperren und haushohe Sandsäcke sichern die Kaserne. Die europäischen Soldaten haben sich ein Containerdorf in der braunrot schimmernden Wüste gebaut. Das Trinkwasser wird gefiltert, die Lebensmittel werden aus Europa eingeflogen.
Gao ist eine wichtige Stadt im Osten, weil hier auf 400 Kilometern Uferstrecke die einzige Brücke über den breiten Niger-Fluss führt. Im Camp Castor hat die Bundeswehr ihre Aufklärungsdrohnen stationiert, die Heron und die Luna. Sie überwachen damit für die Minusma-Mission der Vereinten Nationen ganz Mali, ein Land immerhin doppelt so groß wie Afghanistan. So sollen Bewegungen von Terrorgruppen und Kriminellen frühzeitig erkannt werden.
Außenminister Maas ist mit mehreren Bundestagsabgeordneten nach Mali gereist. Zur gleichen Zeit sind Abgeordnete aus dem Verteidigungsausschuss im Land. Nicht zufällig, denn die deutsche Mission in Gao läuft nur noch bis 31. Mai. Spätestens im April muss der Bundestag beraten, ob der neben Afghanistan größte Einsatz der Bundeswehr verlängert werden soll. Zugleich müssen die Vereinten Nationen die Minusma-Mission bestätigen.
Der Terror greift auf das Nachbarland Burkina Faso über
Heiko Maas wirbt im Camp Gao eindringlich dafür. Er steht neben der Heron-Drohne und weist darauf hin, dass in Mali auch die GiZ arbeitet. “Erst wenn das Militär da ist, können wir die zivile Arbeit tun.” Für die Deutschen sei dieser “vernetzte Ansatz” sehr wichtig. Die Bundeswehr schaffe die “militärische Sicherheit”, damit das Land stabilisiert und aufgebaut werden könne. Deshalb wünsche er sich, “dass das Mandat hier verlängert wird”.
Doch noch ist offen, ob die Mission am Ende Erfolg haben wird. Der Terrorismus, das zeigt der Anschlag von Koulikoro, ist auch nach fünf Jahren noch nicht besiegt. Seit vergangenem Jahr greifen die terroristisch-kriminellen Gruppen sogar auch auf das bislang friedliche Nachbarland Burkina Faso über. In den Grenzregionen zu Mali ist es zu Anschlägen und Überfällen gekommen. Jetzt regieren Angst und Panik. Märkte werden geschlossen, das öffentliche Leben ist gelähmt. Heiko Maas hat sich auch mit Bürgermeistern aus den burkinischen Grenzregionen getroffen, um sich ihre Sorgen anzuhören. Seit vielen Jahren unterstützen die GiZ und die Kreditanstalt für Wiederaufbau Burkina Faso, nun schulen die Deutschen auch die hiesige Polizei. Heiko Maas beschwört den “langen Atem”, den die internationalen Helfer in Mali und den Nachbarländern brauchen.
Bei der Bevölkerung scheint das Engagement einstweilen gut anzukommen. So wirkt zumindest der Empfang, den der Bürgermeister von Koulikoro Heiko Maas bereitet. Auf der Straße stehen Kinder und wedeln mit Fähnchen. In der Nähe der EU-Ausbildungsmission tanzt eine Musikgruppe in Tierkostümen um den Außenminister herum. Der Bürgermeister schenkt Heiko Maas ein erdbraunes Gewand, das bei der Anprobe deutlich weiter ausfällt als der sonst eher körperbetonte Ministeranzug. Dazu bekommt er dann noch einen braunen Hut mit weißen Bommeln. Der Bürgermeister schaut ihn erwartungsvoll an. Aber den Hut will Maas nicht aufsetzen. Vielleicht, weil die Lage doch zu ernst für ausgefallene Hüte ist.
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