Diese Oscar-Gala war eine Nacht, von der hinterher jeder
sagen konnte, er habe es doch vorher gewusst. Sowohl jene, die darin ein Fest
der Diversität sehen wollen, als auch jene, in deren Augen das
Hollywood-Universum wohl noch ewig nach den immer gleichen Regeln ticken wird.
Da kann man sehr schön an der Königskategorie Bester Film sehen, die am Ende
die Tragikomödie Green Book gewann.
Der Film des (weißen, 62-jährigen) Regisseurs Peter Farrelly erzählt die
Geschichte eines schwarzen Jazz-Pianisten, Don Shirley (Mahershala Ali), der in
den 1960er Jahren durch den Süden der USA tourt und dabei von einem
italoamerikanischen Fahrer chauffiert wird.
Dieser Tony (Viggo Mortensen) liebt
seine Frau, seine Kinder, seine Freunde, wirft aber gleichzeitig die zwei
Trinkgläser weg, aus denen in seiner Küche eben zwei schwarze Handwerker
getrunken haben. Er ist ein Rassist mit großem Herzen, einer von jenen weißen
Menschen, der in einer Diskussion vermutlich sagen würde: “Ich kenne einen
Schwarzen, der ist total in Ordnung.” Don Shirley auf der anderen Seite ist
ein Isolierter. Er ist homosexuell und hat sich sein Leben lang von der black
community abgegrenzt. Jetzt reist er aus Idealismus in den segregierten
Süden und lässt sich dort demütigen. So plump (“Nein, unsere Toilette
dürfen Sie nicht benutzen”) und dumpf-derb (“Wir schlagen dich, wie
du es verdient hast”), dass es Tony ein Leichtes ist, ihn zu beschützen.
Einerseits, weil er eben doch ein Herz hat und andererseits, weil er dafür
bezahlt wird. Und das ist dann eine sehr amerikanische Geschichte von
Freundschaft, die aus einer Geschäftsbeziehung erwächst, und in der sich der
Weiße letztlich als Held fühlen darf.
Im mintgrünen Cadillac zum Happy Ending
Der Film kam bei den Kritikern nur halbwegs gut an, das
Publikum liebte ihn umso mehr. Wohl auch, weil es in Green Book trotz des Themas – Rassismus und Gewalt – nie wirklich
finster wird. Alles bleibt beinahe unnatürlich leicht und schaukelt im
mintgrünen Cadillac auf ein nettes Happy Ending zu. Das wäre vielleicht der
passende Moment, um noch kurz auf Farrellys bisherige Filmografie zu verweisen,
in der sich zwischen den Klamaukfilmen Dumm
und Dümmer (1994) und Dumm und
Dümmehr (2014) noch etliche weitere Klamotten finden wie Verrückt nach Mary (1998) und The Stooges – Drei Vollpfosten drehen ab
(2014). Für Green Book erhielt er nun
aber sogar noch den Oscar für das beste Original-Drehbuch.
Was Green Book
rettet, sind seine beiden Hauptdarsteller Viggo Mortensen und Mahershala Ali,
die auch beide für einen Oscar nominiert waren. Ali gewann seinen am Ende in der
Kategorie Bester Nebendarsteller. Über diese Entscheidung kann man sich
uneingeschränkt freuen, da Ali ein großartiger Schauspieler ist, was man
vielleicht noch besser in seinen anderen Rollen sehen kann, aktuell in der
Serie True Detective und in dem
Oscargewinnerfilm von 2017, Moonlight.
Ali ist übrigens der erste muslimische
Darsteller, der einen Oscar erhält.
Neben Green Book
waren in der Kategorie Bester Film noch sieben weitere Filme nominiert. In vier
davon standen ebenfalls keine weißen Amerikanerinnen und Amerikaner im
Mittelpunkt: BlacKkKlansman, Bohemian Rhapsody, Black Panther und Roma.
In jeder dieser Geschichten, so unterschiedlich sie sind, geht es darum, wie
sich Menschen doch einen Zugang zur weißen Mehrheitsgesellschaft verschaffen oder
erkämpfen, durch Mut, Talent, Geheimwissen oder Hingabe. Jeder dieser Filme
wurde in der Oscar-Nacht in mindestens einer Kategorie bedacht. BlacKkKlansman erzählt die unglaubliche
Geschichte des Polizisten Ron Stallworth, einem Schwarzen, der Mitglied im
rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan wurde, um verdeckt gegen ihn zu
ermitteln. Dafür erhielt der Filmemacher Spike Lee endlich, endlich auch einen
Oscar, den für das beste adaptierte Drehbuch, nachdem er bereits 2015 mit einem
Ehrenoscar für sein Lebenswerk geehrt worden war.
Hollywoods Lieblingsplot: Ein Außenseiter macht Karriere
Bohemian Rhapsody,
die Verfilmung der sehr langen und sehr erfolgreichen Geschichte der Rockband
Queen, erhielt insgesamt vier Oscars, was diesmal schon ausreichte, um die
Hommage numerisch zum erfolgreichsten Film des Abends zu machen. Wenig
überraschend waren die Auszeichnungen für Sound Mixing und Sound Editing sowie
für Schnitt, aber auch der Oscar für den besten Hauptdarsteller ging an Rami Malek als Freddie Mercury. Natürlich ist es irre, sich vorzunehmen, dessen
Charisma darzustellen, aber Malek scheute sich nicht, was allein schon bewundernswert
ist, und in seinen besten Momenten vibriert er dann auf der Bühne tatsächlich
ein wenig wie Mercury.
Auch Bohemian Rhapsody
hat einen Plot, wie ihn viele Zuschauer – und offensichtlich auch die Academy,
die über die Oscars abstimmt – liebt: Ein Außenseiter (Parse, mit indischen
Wurzeln aus Sansibar nach England gekommen) macht dank seines überbordenden
Talents Karriere. Auch dieser Film spart die ganz dunklen Seiten und tiefen
Krisen eines außergewöhnlichen Lebens weitgehend aus und konzentriert sich ganz
auf die Erfolge der Band. Davon gibt es dann einige zu sehen und vor allem zu
hören.
Hits: 12



















