Gedanken zum Genozid
Vor allem internationale Gäste besuchen das Genocide Memorial in Kigali. Die Ausstellung ist gut gestaltet und liefert tiefe Eindrücke in die Zeit des ruandischen Genozids von 1994 und dessen Folgen. Ein Guide begleitet die Besucher. Ich konnte es kaum begreifen, dass der 33-Jährige vor 24 Jahren seine beiden Eltern auf brutale Weise verloren hatte und selbst nur knapp mit dem Leben davon gekommen war.
Als der Mann von seinen Erlebnissen erzählte, musste ich an Shoah-Überlebende denken, die den Großteil ihres Lebens bereits hinter sich haben. In bemerkenswerten Vorträgen Überlebender, die ich bislang miterleben konnte, erzählten die Menschen oft von ihren Enkeln und Urenkeln und von den vielen unterschiedlichen Wegen, die sie in ihren Leben eingeschlagen haben. Der junge Guide vor mir hatte eben erst geheiratet – er hat sein Leben noch vor sich.
Tausenden anderen, die heute in seinem Alter wären, wurde diese Chance verwehrt. In der Gedenkstätte hängen mehrere Tafeln mit Informationen über ermordete Kinder. Sie tragen Inschriften wie „Dream: Becoming a doctor“ oder „Enjoyed: Making people laugh“. So entstehen Persönlichkeiten hinter den vielen Namen.
Viele Überlebende fielen nach den Ereignissen in eine tiefe Depression und suchten nach einem Grund, warum ausgerechnet sie überlebt hatten und viele ihrer Nächsten nicht. Als ich aus der Gedenkstätte auf die Straße trat, kam mir zum ersten Mal in den Sinn, dass die meisten nicht jugendlich aussehenden Menschen auf der Straße ein ähnliches Schicksal mit dem Guide teilen. Natürlich gibt es dann auch diejenigen, die als Täter mordeten.
Erst dann verstand ich, warum der Genozid im Land so allgegenwärtig ist. Ich verstand eher, warum viele Gemälde einer großen Galerie in Kigali mit ideologischen Titeln wie „Versöhnung“ oder „Streben nach Einigkeit“ betitelt sind.
Durch die Ermordung von 800.000 Menschen trug der Genozid auch dazu bei, dass heute 70 Prozent der Bevölkerung aus unter 25-Jährigen besteht. Ich würde gerne heraus finden, wie die Regierung die Geschehnisse an diese vielen Jugendlichen vermitteln will, die das Morden nicht miterlebt haben. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich in den Geschichtsunterricht zu setzen, in der Hoffnung, dort direkte Einblicke zu diesem Thema zu bekommen. Davon werde ich hier berichten.
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