DIE ZEIT:
Frau Klöckner, darf man Tiere töten nur für den Geschmack?
Julia Klöckner:
Nicht bedingungslos. Gehen wir auf die Metaebene: In der Bibel gibt es unterschiedliche
Stellen dazu, ob man Tiere töten darf oder nicht. Auch unter Tierethikern gibt es keine
homogene Interpretation. In unserer Kultur werden Tiere gehalten, geschlachtet und gegessen.
Und Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung dazu. Ich werde als Ministerin nicht das
Schlachten von Tieren verbieten.
ZEIT:
Darf man Tieren Schmerzen zufügen?
Klöckner: (lange Pause)
Unser Tierschutzgesetz verlangt, dass Tierleid zu vermeiden ist.
Ich bin keine Vegetarierin oder Veganerin, das ist meine persönliche Entscheidung. Das
schließt aber nicht aus, den Tierschutz, auch als zuständige Ministerin, sehr ernst zu
nehmen.
ZEIT:
Beim Tierwohl-Label, das Sie gerade vorgestellt haben, geht es um die Frage, wie viel
Schmerzen Tieren zumutbar sind. Es soll drei Qualitätsstufen für die Haltung von Schweinen
geben, zwischen denen der Verbraucher wählen kann. CO₂-Betäubung vor dem Schlachten ist in
allen Stufen erlaubt. Die Wissenschaft zeigt, dass diese Art der Betäubung bei Schweinen
Schmerzen verursacht, sie glauben zu ersticken und bekommen Krämpfe. Was hat das mit
Tierwohl zu tun?
Klöckner:
Erst einmal: Bei dem Tierwohl-Kennzeichen geht es darum, das Tierwohl insgesamt zu
steigern. Jede Neuerung wird genutzt dazu, Leid und Schmerzen zu minimieren. Aber auch, um
zu messen, was dem Tier guttut. Deshalb sind Technisierung und Digitalisierung im Stall so
wichtig, um zum Beispiel Gesundheitszustand und Bewegungen der Tiere zu überprüfen.
ZEIT:
Bei der CO₂-Betäubung ist ja bereits erwiesen, dass sie Schmerzen verursacht.
Klöckner:
Unsere Tierschutz-Schlachtverordnung ist bei der CO₂-Betäubung strenger als das EU-Recht.
Beim Tierwohl-Kennzeichen geht es darum, den Stress für die Tiere zu minimieren, von der
Geburt an bis zur Schlachtung. Ich möchte, dass aus Mindeststandards höhere Standards
werden, das geht aber nicht mit der Brechstange. Damit bin ich die Spielverderberin für alle
Schwarz-Weiß-Ideologen, von rechts und links. Es geht in der Politik aber nicht um
Alles-oder-nichts-Entscheidungen, sondern um die richtige Richtung. Mir ist wichtig, dass
wir in meiner Amtszeit beim Tierwohl nachhaltig vorankommen.
ZEIT:
Dass Tiere möglichst keine Schmerzen erleiden sollen, ist ja keine Frage von rechts und
links, sondern Konsens.
Klöckner:
Es ist ein Abwägen. Stichwort Versuchstiere für die Medizin: Es werden viel zu viele Tiere
zu Versuchszwecken genutzt. Als zuständiges Tierschutz-Ministerium investieren wir viel in
Alternativmethoden. Aber dort, wo es keine Alternativmethoden gibt, sind Tierversuche
erlaubt.
ZEIT:
Bei der Elektrobetäubung vor dem Schlachten sieht das Tierwohl-Label vor, dass die Geräte
eine höhere Amperezahl haben als vom gesetzlichen Mindeststandard verlangt. Heißt das
umgekehrt, dass der Standard nicht ausreichend ist und ein Risiko für Fehlbetäubung besteht,
die Schweine also bei Bewusstsein sind, wenn ihnen die Halsschlagader durchgeschnitten
wird?
Klöckner:
Der Mindeststandard ist wissenschaftlich fundiert. Es gibt aber den Wunsch der Verbraucher
nach mehr Tierwohl. Ich will den Verbrauchern stärker bewusst machen: Wer Fleisch isst, muss
wissen, dass Tiere getötet werden. Schlachten ist keine schöne Vorstellung. Aber es gehört
dazu. Mit dem Thema sollte man sich beschäftigen. Das machen leider die allerwenigsten.
ZEIT:
Wir haben uns ja nun mit dem Thema Schlachtung befasst und fragen Sie, warum die Amperezahl
der Betäubung erhöht wird und ob das im Umkehrschluss heißt, dass der gesetzliche
Mindeststandard nicht ausreicht.
Klöckner:
Diese Frage müssten Sie dann bei allen Siegeln stellen: Wieso gibt es das Biosiegel, wir
haben doch den gesetzlichen Mindeststandard? Mein Tierwohl-Kennzeichen wird zu höheren
Tierschutzstandards führen, am Ende auch innerhalb des gesetzlichen Standards, davon bin ich
fest überzeugt.
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