/Soziales Netzwerk: Wird auf Facebook jetzt alles anders?

Soziales Netzwerk: Wird auf Facebook jetzt alles anders?

Der Missbrauch von Millionen Nutzerdaten, gefälschte Accounts und immer wieder Sicherheitslücken: Spätestens seit
den Skandalen im vergangenen Jahr werden die Rufe nach staatlicher
Regulierung von Facebook lauter. Im Mittelpunkt der Debatte steht,
welche Nutzerdaten das Netzwerk sammelt, verarbeitet, vermarktet und teilt.

Zuletzt hatte sich die Justizministerin Katarina Barley in
einem exklusiven Gastbeitrag für ZEIT ONLINE
für eine stärkere Regulierung eingesetzt und damit direkt auf einen Artikel des Facebook-Chefs Mark Zuckerberg geantwortet.

Nun hat sich auch
das Bundeskartellamt eingeschaltet. Bereits
seit 2016
arbeitet es an einem Verwaltungsverfahren gegen Facebook.
In den
vergangenen Jahren hatten die Verantwortlichen der Wettbewerbsbehörde
mehrfach darauf hingewiesen, dass sie Anzeichen für einen Missbrauch der
Marktmacht durch Facebook sehen. Heute stellte die Behörde einen
Beschluss vor,
in dem sie der Plattform “weitreichende Beschränkungen” bei
der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt.

Was genau das
Bundeskartellamt kritisiert und was das für Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer bedeutet, lesen Sie hier im Überblick:

Was hat das Bundeskartellamt entschieden?

Das
Bundeskartellamt untersagt Facebook “die Zusammenführung von Nutzerdaten
aus verschiedenen Quellen”. Der Präsident des Amtes, Andreas Mundt, fasst
es in einer Pressemitteilung folgendermaßen zusammen: “Facebook darf seine
Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und
Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen.” Das
soziale Netzwerk nutze seine in Deutschland marktbeherrschende Stellung, um
eine Vielzahl von Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Da es keine Alternativen
gebe, müssten die Nutzer und Nutzerinnen dies bislang akzeptieren.  

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Um welche Daten geht es genau?

In der
Entscheidung geht es ausschließlich um Daten aus “Drittquellen” und
nicht um Daten, die bei der Nutzung von Facebook selbst anfallen. Denn was
viele Menschen immer noch nicht wissen: Das soziale Netzwerk kann seine Nutzer
über zahlreiche Websites und Dienste hinweg verfolgen. Wer in Facebook
eingeloggt ist, hinterlässt in seinem Browser eine kleine Identifikationsdatei,
ein Cookie. Wird anschließend eine andere Website besucht, auf dem
der Facebook-Like-Button eingebunden ist, könnte der Besuch bereits an Facebook
gemeldet werden, selbst wenn der Like-Button gar nicht angeklickt wird (zu
dieser Praxis läuft derzeit auch ein
Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof EuGH
). Das Netzwerk erhält somit Informationen über die
Vorlieben der Nutzer, selbst wenn diese gar nicht in Facebook selbst aktiv sind.
Das Gleiche geschieht auf Websites, die das Analysetool Facebook Analytics
einsetzen.

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Was ist mit Instagram und WhatsApp?

WhatsApp und Instagram sind nach Definition der Kartellwächter zwar “konzerneigene Dienste” von Facebook, gelten aber trotzdem als Drittquelle. Obwohl sie unabhängig voneinander genutzt werden können (ein Instagram-Konto ist nicht an ein Facebook-Konto geknüpft), können die Daten aus Sicht des Kartellamts mit einem bestehenden Facebook-Konto zusammengeführt werden. Etwa indem die Freundeliste von Instagram mit der von Facebook abgeglichen wird. Facebook überlegt Berichten zufolge sogar, einen Nachrichtenaustausch zwischen WhatsApp, Instagram und Facebook einzuführen. Auch wenn sich der Beschluss der Behörde gezielt auf Facebook als soziales Netzwerk bezieht, könnte die Einschränkung auch die Nutzer von WhatsApp und Instagram betreffen. Deshalb ist auch die Rede davon, dass sich das Kartellamt gegen die “innere Verflechtung” von Facebook-Diensten wehrt.

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Wird Facebooks Datensammlung aus Drittquellen jetzt verboten?

Nein. Facebook
darf die Daten über Drittquellen wie Websites oder Instagram weiterhin sammeln. Sie dürfen allerdings nicht mehr
automatisch einem Konto zugeordnet werden. Es sei denn, der Nutzer oder die
Nutzerin stimmt dieser Zusammenführung zu. “Fehlt es bei den Daten von
den konzerneigenen Diensten und Drittwebsites an der Einwilligung, kann
Facebook die Daten nur noch sehr stark eingeschränkt sammeln und dem
Nutzerkonto zuordnen”, heißt es in der Mitteilung der Wettbewerbshüter. Das
heißt auch: Die Nutzung der Facebook-Dienste darf nicht mehr von der
Einwilligung der Nutzer in diese Art der Datensammlung abhängig gemacht werden.

Datenschutz – Facebook darf weniger Nutzerdaten sammeln und verarbeiten
Laut Bundeskartellamt missbraucht Facebook seine in Deutschland marktbeherrschende Stellung. Das Unternehmen will Beschwerde gegen den Bescheid einlegen.

© Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

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Was bedeutet das für Facebook-Nutzer?

Noch ist unklar,
wie die Plattform die Einschränkungen umsetzen wird. Dazu muss der Konzern dem
Kartellamt innerhalb von zwölf Monaten Lösungsvorschläge vorlegen, sofern die
Entscheidung rechtskräftig wird. Bislang akzeptieren alle, die aktiv auf Facebook sind, die Datensammlung aus Drittquellen durch die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen. Denkbar ist, dass die Nutzer künftig der Zusammenführung
noch einmal gesondert zustimmen müssen. “Opt-in” heißt dieses
Verfahren. Für alle, die schon angemeldet sind, könnte es in den Datenschutzeinstellungen
dann eine zusätzliche Schaltfläche geben. Facebook müsste dem Kartellamt in diesem Fall aber
auch zeigen, dass die Daten von Menschen, die der Zusammenführung nicht
zustimmen, auch tatsächlich anders verarbeitet werden. 

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Wieso der Datensammlung überhaupt zustimmen?

Facebook weist
in seiner Antwort auf den Beschluss des Kartellamts
einmal mehr auf die
mutmaßlichen Vorteile “dienstübergreifender Informationsnutzung” hin: Facebook
biete eine “einzigartige
Nutzererfahrung, die auf jede Person individuell zugeschnitten ist”, heißt
es seitens des Unternehmens. Aus dessen Sicht verbessert die Datensammlung aus Drittquellen sowohl die Einblendung relevanter
Werbung (weil sich aus den Daten Wissen über die Vorlieben der Nutzerinnen gewinnen lässt) als auch die
Sicherheit (weil damit plattformübergreifend missbräuchliches Verhalten besser
verhindert werden kann). Wie wichtig einem diese Punkte sind, bleibt jedem
selbst überlassen.

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Wo liegt der Unterschied zu den Auflagen der DSGVO?

Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aus dem Jahr 2018 hat dazu geführt, dass Facebook seine Datenschutzeinstellungen überarbeiten musste und den Nutzern mehr Kontrolle hinsichtlich der Datenerfassung und -verarbeitung gab. Während die DSGVO alle in der EU tätigen Onlinedienste und Websites betrifft, gilt die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde nur für Facebook in Deutschland. Das Unternehmen kritisiert deshalb, dass der Beschluss “den europäischen Rechtsrahmen untergräbt, indem er das datenschutzrechtliche Schutzniveau von der Größe des betroffenen Unternehmens abhängig macht.” Aus Sicht von Facebook seien die beanstandeten Punkte des Kartellamts bereits durch die DSGVO geregelt.

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Weshalb schaltet sich das Bundeskartellamt überhaupt ein?

Das Kartellamt
wird dann tätig, wenn ein Unternehmen eine “marktbeherrschende Stellung”
innehat, weil es in dem Fall strengeren Pflichten unterliegt. Im aktuellen Beschluss
geht es zwar oberflächlich um Fragen des Datenschutzes, aber grundsätzlich um
die Frage, ob Facebook seinen Datenbestand ausnutzt, um überhaupt erst seine marktbeherrschende
Stellung zu erreichen. Vereinfacht gesagt: Weil es in Deutschland keine echte
Alternative zu Facebook gibt, bleibt den Usern und Userinnen keine andere
Wahl, als die weitreichende Datensammlung zu bewilligen. Und mit diesen Daten
wiederum kann Facebook seine Marktführung ausbauen. Das Amt schaltet sich also ein, weil es seine Aufgabe ist, Monopole zu verhindern und Konkurrenz im Markt zu erhalten. Die DSGVO ist hingegen ein Instrument zum Datenschutz.

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Was sagt Facebook dazu?

Erwartungsgemäß
beschreibt Facebook seine Stellung etwas anders als das Kartellamt. Das Unternehmen sieht sich selbst “in einem
harten Wettbewerb” um die Aufmerksamkeit der
Menschen, unter anderem Diensten wie Twitter, YouTube oder Snapchat. Popularität sei nicht
gleichbedeutend mit Marktbeherrschung. Das Kartellamt argumentiert, dass diese Dienste bloß komplementär, also zusätzlich zu Facebook genutzt würden, es aber nicht vollständig ersetzen könnten.

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Ist der Beschluss rechtskräftig?

Nein, denn
Facebook kann und wird Beschwerde dagegen einlegen. Dann landet der
Fall zunächst vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Sollte das OLG zugunsten
des Kartellamts entscheiden, könnte das Unternehmen noch vor den Bundesgerichtshof ziehen.
Bis es eine abschließende Entscheidung gibt und Facebook tatsächlich seine Datensammlung
einschränken muss – oder vielleicht auch von den Vorwürfen freigesprochen wird –
wird es noch dauern. Bis dahin geht die Sammlung von Daten Dritter weiter.

Facebook steht seit Längerem in der Kritik, was die Nutzung, die Verbreitung und den Verkauf der Nutzerdaten angeht. Lesen Sie dazu unseren Schwerpunkt “Der große Datenmissbrauch”.

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