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Neonazis: Braune Geschäfte mit der Kirche – Störungsmelder

In Bayern kaufte ein rechtsextremer Musiker eine Kirche, machte sie zu einem hippen Partyraum. Jetzt ist der Neonazi aufgeflogen. Sein Geschäftspartner hat ihn rausgeschmissen.

Von Sebastian Lipp

Neo-Nazis: Braune Geschäfte mit der Kirche
Die ehemalige Christuskirche heißt jetzt Projekt Gastraum. Wo einst der Altar stand, ist jetzt die Bar. © Sebastian Lipp

Etwa mittig zwischen Ulm und Memmingen liegt Illertissen. Seinen Namen hat das bayerisch-schwäbische Städtchen von der unmittelbar vorbeifließenden Iller, die zugleich die Grenze zu Baden-Württemberg markiert. Wer von Süden kommend das Ortsschild passiert, den begrüßen zwei große Werbebanner. „Philipp Mörwald Freiraumgestaltung“ steht auf dem einen, „Projekt Gastraum“ auf dem anderen. Was Besucher nicht ahnen können: Zwischen beiden gibt es eine Verbindung – und die reicht tief ins Milieu der größten Neonazikameradschaft Bayerns.

Projekt Gastraum, das ist die ehemalige Christuskirche im Zentrum der Stadt, gleich neben dem Bahnhof. Von außen sieht sie aus wie eh und je. Doch wo einst der Altar stand, ist jetzt eine Bar. Die Freiraumgestaltung ist die Firma des Landschaftsarchitekten Philipp Mörwald. Er hatte das Gotteshaus im Jahr 2017 gemeinsam mit dem Innenarchitekten Oliver Rieger von der evangelischen Gemeinde gekauft und zu einer hippen Eventlocation herausgeputzt. Statt Gottesdienste werden dort jetzt Partys gefeiert.

Duftbaum Marke „Obersalzberg“

Was Rieger zum Zeitpunkt des Kaufs nicht weiß: Während der gemeinsamen Arbeiten am Umbau der alten Kirche steht sein Geschäftspartner mit seiner E-Gitarre in einem Tonstudio und nimmt ein deftiges Musikalbum auf. Das verschweigt er aus gutem Grund: Mörwald macht Neonazimusik. Er spielt in einer Rechtsrock-Band namens Act of Violence („Gewalttat“). Das Cover des aktuellen Albums Alte Liebe rostet nicht ziert ein Wehrmachtssoldat. Es ist auch in einer limitierten Spezialversion erhältlich, mit lasergraviertem USB-Stick aus Echtholz, Tischkalender und Duftbaum – Marke „Obersalzberg“.

Act of Violence hat es in sich, ihr Name war schon früher Programm: Wegen Gewaltaufrufen sowie nationalsozialistischer und antisemitischer Texte indizierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien das dritte Album der Band. Die Doppel-CD mit dem Titel Wilde Vögel fliegen enthalte ein „Bekenntnis zum Nationalsozialismus“, urteilten die Prüfer, und den gelte es, gewaltsam durchzusetzen. Außerdem verhöhnt Act of Violence die Opfer der Hitlerzeit und huldigt rechtsterroristischen Gruppen.

Auftritte bei Rechtsrock-Events

Immer wieder sieht man Mörwald auf den großen Rechtsrock-Events in Deutschland. Im thüringischen Themar, wo in den vergangenen Jahren Tausende Neonazis feierten, spielte er 2017.

Zu seinem Auftritt reiste er mit seinen Bandkollegen von Act of Violence und weiteren bekannten Anhängern der größten bayerischen Neonazikameradschaft Voice of Anger an. Die Bande zu der rechtsextremen Truppe sind unübersehbar. Beide feierten jüngst ihr 15-jähriges Jubiläum. Besteller des jüngsten Act-of-Violence-Albums durften sich über eine CD zum Geburtstag von Voice of Anger als Gratisbeigabe freuen. Verschickt hatte sie Benjamin Einsiedler, Plattenproduzent hinter dem Neonazilabel Oldschool Records und gleichzeitig Führungsfigur von Voice of Anger.

Der Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler besucht in Begleitung von Mitgliedern der Band Act of Violence (AoV) und bekannten Anhängern der Neonazikameradschaft Voice of Anger (VoA) das RechtsRock-Festival am 29. Juli 2017 in Themar. (Bild: EXIF Recherche)
Neonaziplattenproduzent Benjamin Einsiedler besucht in Begleitung von Mitgliedern der Band Act of Violence und bekannten Anhängern der Neonazikameradschaft Voice of Anger das Rechtsrock-Festival am 29. Juli 2017 in Themar. © EXIF Recherche

Oliver Rieger ist entsetzt, als er davon erfährt: „Gerade höre ich hier im Radio noch eine Sendung über Josef Mengele, und jetzt sagen Sie mir, ich habe so einen als Geschäftspartner.“ Bemerkt haben will der Innenarchitekt nichts: „Der macht nach vorne hin überhaupt nicht den Eindruck, dass er so ein Rechtsradikaler ist.“ Mörwald habe zwar schon mal „eine schnelle Meinung gehabt“ und etwa abgelehnt, einen Flüchtling als Aushilfe in der Küche einzustellen. Doch so etwas habe er als „Stammtischparole abgetan“. Das sei ja so nicht unüblich im ländlichen schwäbischen Raum.

Neonazis in der Region oft unerkannt

Damit steht der Fall exemplarisch für ein Phänomen, das häufig im Umfeld von Voice of Anger zu beobachten ist. Den aus dem Allgäu stammenden Neonazis gelingt es immer wieder, sich unbehelligt mitten in der Gesellschaft zu bewegen. Teils können sie wie Mörwald ihren Hintergrund mehr oder weniger geschickt verbergen, teils fehlt es Bürgern am Problembewusstsein, wie antifaschistische Initiativen aus dem Allgäu beklagen.

Doch als Rieger von Mörwalds braunem Treiben erfährt, fällt er noch am selben Tag eine folgenschwere Entscheidung: „Ich werde ihn auf jeden Fall darauf ansprechen, und wenn da was dran sein sollte, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm seinen Anteil auszuzahlen und allein weiterzumachen.“ Das ist inzwischen geschehen. Mörwald war selbst beim Gewerbeamt und hat seinen Ausstieg verkündet, wie die zuständige Behörde vor wenigen Tagen bestätigte. Auf Nachfrage will er nicht verraten, wie es für ihn weitergeht und wie er das Kapital der Auszahlung einsetzen wird.

Wer von Süden kommend das Ortsschild Illertissens passiert, den begrüßen zwei große Werbebanner. Beide standen durch Philipp Mörwald mit der größten Neonazikameradschaft Bayerns in Verbindung. © Sebastian Lipp

Der Neonazi schaffte Gäste ran

Rieger muss jetzt sehen, wie er weitermacht. Die Auszahlung, es sollen rund 100.000 Euro sein, belastet ihn. Auch dürften nun einige Gäste ausbleiben. Sein Geschäftspartner habe immer viele Freunde und Bekannte in das einst gemeinsame Lokal gezogen – offenbar keine oder unauffällige Neonazis wie Mörwald selbst.

Der Rechtsextremist war so unscheinbar, dass wohl auch der Evangelischen Kirchengemeinde Illertissen nicht klar war, mit wem sie beim Verkauf ihres Gebäudes ins Geschäft kam. Auf Nachfrage des Störungsmelders äußerte sich die Gemeinde bislang nicht. Seine bürgerliche Tarnung funktionierte bestens – bis jetzt.

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