Wie soll man vorgehen, wenn man als Staat plötzlich die Versorgung von Patient*innen mit Gras sicherstellen soll? Vor dieser Aufgabe stand das in Bonn ansässige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Jahr 2017.
Denn seit dem 10. März 2017 gilt das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Es erlaubt Ärzt*innen, medizinisches Cannabis zu verordnen – auf Rezept und mit einer maximalen Zuzahlung von 10 Euro.
Bislang stammte das Apothekengras aus den Niederlanden und Kanada. Doch nun will auch Deutschland Gras anbauen lassen. Das zu regeln ist Aufgabe des BfArM. Deshalb hat das Institut eine Cannabisagentur eingerichtet. Eine der Aufgaben: Aufträge für den Anbau von Cannabis in Deutschland vergeben. Im April 2017 hatte die Agentur im Amtsblatt der Europäischen Union eine Ausschreibung veröffentlicht.
Menge wurde von 6,4 auf mehr als 10 Tonnen angehoben
Zunächst wollte die Agentur 6,4 Tonnen Gras im Zeitraum von 2019 bis 2022 haben. Sie hob die Menge jedoch schon bald auf 10,4 Tonnen an. Nötig gemacht hatte das ein „Blick auf die Entwicklung der Patientenzahlen“, wie aus einer heute veröffentlichten Pressemitteilung des BfArM hervorgeht.
Klar ist seit heute auch, dass sich 79 Anbieter*innen auf den Auftrag beworben haben. Um auch kleineren Anbieter*innen eine Chance zu geben, hat die Agentur die 10,4 Tonnen in vier Jahresportionen à 2,6 Tonnen aufgeteilt und diese wiederum in 13 Einzellieferungen zu je 200 Kilogramm. Welche der Firmen die Zuschläge bekommen, soll im zweiten Quartal dieses Jahres entschieden werden. Die Firmen mussten mehr als 200 Fragen beantworten.
Denn die Anforderungen an die Unternehmen sind hoch. Vorweisen muss man der Ausschreibung zufolge zunächst „Referenzen über früher ausgeführte Aufträge des Bewerbers zu Anbau, Verarbeitung und Lieferung von Cannabis für medizinische Zwecke mit einer Liefermenge von mindestens 50 Kilogramm je Referenz in den letzten 3 Jahren.“
Das kann in Deutschland niemand leisten, weil es eben illegal war, Gras anzubauen. Wie die taz berichtete, planten deutsche Unternehmer*innen dennoch, ins Geschäft einzusteigen. Dafür wollten sie sich mit ausländischen Unternehmen zusammentun, die bereits Erfahrungen im Anbau und Vertrieb haben. Nähere Auskünfte zu Anbieter*innen wollte das BfArM nicht geben. „Aus vergaberechtlichen Gründen können wir keine individuellen Anfragen zur Ausschreibung oder möglichen Anbietern beantworten“, sagte ein Pressesprecher auf Anfrage von ze.tt.
Kein Zentrallager
Sicher ist jedenfalls, dass es kein Zentrallager für das Gras gibt. Die herstellenden Unternehmen lagern das Gras in ihren Betrieben. Darum sind laut Ausschreibung auch „gesicherte Inhouse-Plantagen“ vorgeschrieben. Von dort aus liefern die Betriebe dann etwa an Apotheken.
Dennoch kontrolliert die Agentur den Handel. Sie soll nämlich sicherstellen, dass das Gras gewisse Qualitätsstandards erfüllt. Dafür hat die Agentur die sogenannte Monographie Cannabisblüten veröffentlicht. Dort sind chemische Analysemethoden festgelegt, mit denen etwa der Gehalt des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) geprüft werden kann. Außerdem wird sie einen Preis festlegen – Gewinne darf sie mit dem Verkauf jedoch nicht erzielen. Bislang kostet ein Gramm Cannabis in der Apotheke rund 25 Euro.
Bis das erste Gras aus deutschen Anbaubetrieben in Apotheken gelangt, dauert es allerdings noch mehr als ein Jahr. Das BfArM rechnet erst gegen Ende 2020 mit der ersten Ernte. Grund dafür ist unter anderem ein Rechtsstreit mit einer Firma, die gegen die Ausschreibung geklagt hatte. Sie empfand die Abgabefrist für die Bewerbung als zu knapp bemessen. Im April verhandelt des Oberlandesgericht Düsseldorf über den Fall. Die Apotheken werden sich deshalb weiter ausschließlich mit importiertem Gras eindecken. Der Weg zum ersten Staatsgras ist also noch lang.
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