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Pflegeausbildung: Wird es bald attraktiver, in der Pflege zu arbeiten?

Mehr Menschen sollen einen Pflegeberuf ergreifen. Darum will die Politik die Ausbildung attraktiver machen, Quereinstiege erleichtern. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Pflegeausbildung: Pflegeausbildung am Modell: In einer Pflegeschule in Berlin lernen Auszubildende, wie sie Patienten waschen.

Pflegeausbildung am Modell: In einer Pflegeschule in Berlin lernen Auszubildende, wie sie Patienten waschen.
© Adam Berry/Getty Images

Um den Pflegenotstand zu bekämpfen und die Pflege zu stärken, haben sich das Gesundheits-, das Arbeits- und das Familienministerium auf die sogenannte Konzertierte Aktion Pflege verständigt. Am Montag wurden in Berlin die Ergebnisse der ersten Arbeitsgruppe zur geplanten Ausbildungsoffensive in der Pflege vorgestellt.

Was ist das Problem?

Deutschland hat in allen Pflegeberufen einen enormen Fachkräftemangel. Im vergangenen Jahr waren in Kliniken und Pflegeeinrichtungen über 40.000 Stellen nicht besetzt, wie die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit zeigt. In der Krankenpflege dauerte es im Schnitt 149 Tage, bis eine Vakanz besetzt war, in der Altenpflege sogar 186 Tage. Hier kommen gerade einmal 26 Bewerber oder Bewerberinnen auf 100 offene Stellen. Zugleich wollen nur wenige junge Menschen einen Pflegeberuf ergreifen. Aktuell befinden sich 68.200 Männer und Frauen in einer Pflegeausbildung, dabei werden viel mehr benötigt. Die Zahl der Auszubildenden stagniert seit dem Jahr 2012.

Grund für den Mangel sind vor allem die Arbeitsbedingungen. Sie gelten in allen Pflegeberufen als belastend: Schichtdienste, starke körperliche und psychische Belastungen, eine vergleichsweise niedrige Bezahlung und wenig Wertschätzung bei hohem Stress führen dazu, dass der Krankenstand sehr hoch ist. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen in Pflegeberufen Frauen sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wegen der Schichtarbeit erschwert ist. Viele steigen nach einigen Jahren im Job auch deshalb wieder aus. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat beispielsweise ermittelt, dass nach zehn Jahren nur noch 37 Prozent der Altenpflegerinnen in ihrem Job tätig sind. Viele weitere reduzieren ihre Arbeitszeit. Die Mehrheit der Pflegekräfte arbeitet Teilzeit.

Und so hat der Notstand mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass die Versorgung von Patienten oder pflegebedürftigen Menschen nicht immer gewährleistet werden kann.

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Wie soll die Pflegeausbildung in Zukunft verbessert werden?

Damit die Pflege wieder attraktiver wird, soll zunächst die Aus- und Weiterbildung verbessert und die Zahl der Auszubildenden in Pflegeberufen in den kommenden vier Jahren um zehn Prozent erhöht werden. Dazu haben Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Selbstverpflichtung mit 111 konkreten Maßnahmen unterzeichnet. Dazu gehört unter anderem
eine Ausweitung der Ausbildungs-, Weiterbildungs-, Schul- und
Studienplätze. So wollen beispielsweise die Verbände der Pflegeeinrichtungen bis zum Jahr 2023 mindestens 5.000
Weiterbildungsplätze für die Ausbildung von Pflegehelferinnen und
-helfern zur Verfügung stellen und so Menschen einen Einstieg in Pflegeberufe ermöglichen, die beispielsweise aus einem anderen Berufsfeld kommen. Außerdem soll es Nachqualifizierungen für Menschen geben, die in einen Pflegeberuf zurückkehren.

Außerdem soll die Weiterqualifizierung von einem Helferjob zu einer examinierten Pflegefachkraft vergütet werden. Das war bisher nicht der Fall, und so verzichteten viele Kranken- oder Altenpflegehelfer auf die Qualifizierung. Zugleich wird durch diese Änderung eine Entwicklungsmöglichkeit geschaffen. Denn viele Jobs in der Pflege galten auch deshalb als unattraktiv, weil Aufstiegschancen fehlten.

Die Bundesregierung will außerdem mit einer bundesweiten Informationskampagne
für Pflegeberufe werben. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, sollen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zudem Förderungen erhalten – auch eine verbesserte betriebliche Gesundheitsförderung soll die Pflegeberufe attraktiver machen.

Bis zum Sommer sollen auch die weiteren vier Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorstellen. Erst dann wird das Gesamtkonzept der Bundesregierung für die Verbesserungen in der Pflege stehen.

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Reichen die Maßnahmen, und was wurde schon umgesetzt?

Der Pflegenotstand spielte schon bei der letzten Bundestagswahl eine große Rolle. Daher hat die Politik bereits einige Gesetze auf den Weg gebracht. Zum Beispiel wurde eine Reform der Pflegeausbildung beschlossen. Bisher erfolgte die Ausbildung von Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflegern getrennt, ab 2020 werden sie gemeinsam ausgebildet. Die Spezialisierung auf einen der drei Bereiche erfolgt im dritten Lehrjahr. Das Schulgeld wird künftig abgeschafft. Die Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste werden verpflichtet, den Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen.

Doch es wird weiterhin Unterschiede vor allem bei der Bezahlung geben: Während Pflegekräfte in Kliniken und Krankenhäusern nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden und zum Beispiel eine geringere Wochenarbeitszeit und ein 13. Monatsgehalt erhalten, hängt die Bezahlung in der Altenpflege vom jeweiligen Träger ab. Immer mehr Heime und Pflegedienste  sind in der Hand von privaten Unternehmen oder Konzernen, die keine tarifliche Bezahlung anbieten. Dadurch liegt das Gehaltsniveau in der Altenpflege deutlich unter dem der Pflegekräfte im öffentlichen Dienst. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich daher für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Altenpflege einsetzen. Die Gewerkschaft ver.di hat bereits eine Tarifkommission gegründet und erste Forderungen aufgestellt.

Auf den Weg gebracht wurde auch schon das sogenannte Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, mit dem zum Jahresbeginn in bestimmten Abteilungen in Krankenhäusern Personaluntergrenzen festgeschrieben wurden und langsam abgesenkt werden sollen, wenn ausreichend neue Fachkräfte ausgebildet werden. Auf Intensivstationen beispielsweise sollen ab nächstem Jahr 2,5 Patientinnen und Patienten auf einen Krankenpfleger oder eine Krankenpflegerin kommen, nachts darf eine Fachkraft maximal 3,5 Patientinnen und Patienten betreuen. Die Untergrenzen sind eine Verbesserung, trotzdem sehen viele Fachkräfte diese als zu niedrig an und darin eine Legitimierung des Personalnotstands. Es gibt noch ein weiteres Problem: In der stationären Altenpflege existieren solche Untergrenzen nicht. Stattdessen wird der sogenannte Pflegeschlüssel in einer komplizierten Rechnung für jede einzelne Einrichtung ermittelt, bei der unter anderem die Pflegegrade der Bewohner, die Größe des Heimes und die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt werden müssen.

Trotzdem werden all diese Maßnahmen nicht sofort Wirkung entfalten. Zum einen kommen erst 2023 die ersten Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt, die nach den neuen Standards ausgebildet wurden. Zum anderen sind viele Details noch unklar, zum Beispiel bei der Finanzierung.

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Das alles wird einiges kosten. Wie soll das finanziert werden?

Um die Verbesserungen in der Ausbildung zu finanzieren, sollen sogenannte Ausgleichsfonds geschaffen werden, die in den jeweiligen Bundesländern eingerichtet werden. Aus den Fonds sollen die Ausbildungskosten finanziert und an die ausbildenden Krankenhäuser, Pflegeheime, ambulanten Dienste und Pflegeschulen ausgezahlt werden. Zugleich sollen auch alle Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in die Fonds einzahlen, auch die Bundesländer sollen sich beteiligen. An den Kosten beteiligen sollen sich auch die gesetzliche wie private Pflegeversicherung. Aber das ist nicht ganz unproblematisch, weil selbst nach der jüngsten Beitragserhebung – zu Jahresbeginn um 0,5 Prozentpunkte auf 3,05 Prozent – immer noch die Einnahmen geradeso die Ausgaben decken.

Fraglich ist aber, ob das reichen wird. Einige Experten schlagen auch deshalb vor, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung weiter steigen sollen – etwa auf 4,25 Prozent im Jahr 2045, wie es in einer Studie der Bertelsmann Stiftung heißt. Sozialverbände wie der VdK warnen davor, dass die Kosten nicht den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden dürften, und schlagen eine Finanzierung aus Steuermitteln vor. Schon heute müssen Pflegebedürftige einen hohen Eigenanteil bezahlen. Wer in einem Altenheim lebt, zahlte im vergangenen Jahr durchschnittlich 1.830 Euro pro Monat, hat eine Statistik des Verbands der Ersatzkassen (vdek) ergeben.

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Was sagen Sozialverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeber?

Von
Gewerkschaften und Sozialverbänden wurden die ersten Pläne positiv
aufgefasst. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht darin ein
wichtiges Signal, um mehr
Menschen für die Pflegeberufe zu begeistern. Entscheidend sei aber, dass
nicht nur mehr Menschen für eine Pflegeausbildung gewonnen würden,
sondern dass diese auch mit einer fairen Bezahlung nach der Ausbildung
im Beruf gehalten würden, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte eine schnelle
Umsetzung der Pläne. “Die Ausbildungsoffensive muss jetzt schnell und
mit Nachdruck umgesetzt werden”, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Das Deutsche Rote Kreuz begrüßte die Vorschläge, verwies
aber auf eine mangelnde Finanzierung bei den Pflegeschulen, für die eine
Anschlussfinanzierung fehle. Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) zeigte sich zufrieden mit den Plänen. Der
Verband hatte zuvor gefordert, dass mehr Anreize für Berufsrückkehrer
sowie Nachschulungen für diese geschaffen werden müssten.

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