Nicholas Ofczarek genießt den Ruf des genialen bösen Buben. Seine Paraderollen sind Wüstlinge, Lüstlinge, Säufer und Verbrecher wie der psychopathische Mörder im Frankfurter “Tatort” “Die Geschichte vom bösen Friederich”. In der Sky-Fernsehserie “Der Pass” ist der 47-Jährige nun als Kommissar auf der anderen Seite des Gesetzes unterwegs – nicht minder wüst.
ZEIT
ONLINE: Herr Ofczarek, ich fürchte, ich habe Ihren Namen bisher immer falsch
ausgesprochen, nämlich “Offtscharek”. Dabei heißt es
“Ofzarek”.
Ofczarek:
Das ist nicht falsch, der Name kommt aus dem Polnischen. Mein Vater hat sich
“Ofzarek” genannt, ich tue das auch. Lustigerweise sprechen viele
Deutsche den Namen polnisch aus, das liegt wahrscheinlich an der geografischen
Nähe zu Polen. Mir ist alles recht.
ZEIT
ONLINE: Abgesehen von der Aussprache: Worin unterscheiden sich Deutsche und
Österreicher sonst?
Ofczarek:
Es gibt natürlich viele unterschiedliche Mentalitäten in Deutschland und auch
in Österreich. Der Wiener ist ein wenig schwerer, näher dem Tode, dunkler. Es
schwingt viel Südöstliches mit. Wenn man den Wiener Dialekt analysiert, findet
man den typisch tschechischen Singsang und das tschechische L, das ungarische O
und E, und dann noch das Serbisch-Kroatisch-Montenegrinische. Der Deutsche ist korrekter, heller,
grader. Ich hatte anfangs große Konflikte mit meinem Burgtheater-Kollegen
Michael Maertens, der aus Hamburg kommt. Er hat mir nach einer Szene mal
gesagt: “Das gefällt mir sehr gut.” Ich als Wiener bin mir total
verarscht vorgekommen. Ich dachte: Das kann er doch nicht ernst meinen!
ZEIT
ONLINE: In der neuen Sky-Serie Der Pass kommen ein
paar tolle Wolfgang Ambros-Lieder vor. Eines, Die Kinettn, dürfen Sie mitgrölen: “I hob mi scho seit zehn Tog nimmer rasiert
und nimmer gwoschn. / Und i hob nix als a Flaschn Rum in da Mantltoschn.”
Passt super zu Ihrer Rolle als
versoffener, völlig fertiger Kommissar. War der Song Ihre Idee?
Ofczarek:
Nein, das stand alles schon im Drehbuch. Einer der Regisseure, Cyril Boss, ist
großer Ambros-Fan.
ZEIT
ONLINE: Warum ist Ambros besser als Konstantin Wecker?
Ofczarek:
Er ist dreckiger. Der Wecker ist ein Poet, Ambros ein schmutziger Poet. Da
spürst du noch mehr die Straße. Seine Songs tragen den Geist des Wiens der Achtzigerjahre in sich. Da war die Stadt noch schwarz, vom Verkehr und den
Fabriken, die Gebäude waren noch nicht renoviert. Mittlerweile ist Wien auch so
eine mondäne, cleane Stadt.
ZEIT
ONLINE: Kommissar Gedeon Winter, den Sie in Der
Pass spielen, ist ein typischer Ofczarek-Charakter: wüst, meistens
berauscht, mit großen, unbewältigten Problemen. Um einen schönen
österreichischen Ausdruck zu bemühen: ein Ungustl. Korrekt?
Ofczarek:
Ein Ungustl ist ein unsympathischer, nicht nahbarer Charakter. Finden Sie
wirklich, dass der Kommissar so ist? Er ist bewusst am Anfang als eine schwer
zugängliche Figur angelegt, dreht sich dann aber im Laufe der Serie noch
gehörig. Sonst wäre es ja unerträglich.
ZEIT
ONLINE: Am Anfang wirkt es tatsächlich wie ein Klischee: der verlotterte
österreichische Kommissar und die junge, korrekte, ehrgeizige deutsche Kollegin
Ellie Stocker, gespielt von Julia Jentsch.
Ofczarek:
Das war uns als Gefahr bewusst. Letztlich finden sich die beiden durch ihre
Arbeit. Sie sind sehr verschieden, aber nicht, weil sie Deutsche und er
Österreicher ist, sondern weil sie unterschiedliche Menschen sind. Ellie Stocker steht am Anfang ihres Weges und will noch was, während Winter mit
seinem Beruf abgeschlossen hat und eben nicht mehr will. Er ist zu oft zu spät
gekommen – das Los eines Polizisten. Aber dann ändert sich etwas, als sie
begreifen, dass sie es mit einem Serientäter zu tun haben und die Chance
bekommen, einmal rechtzeitig zu sein. Winter kommt ein bisschen mehr ins Leben
zurück, achtet auf sich, trinkt nicht mehr.
ZEIT
ONLINE: Der Killer begeht seine Taten unter einer Krampus-Maske. Das
mythologische Motiv missbraucht er für seine Vorstellung einer besseren Welt.
Er will die seiner Meinung nach verkommene, kommerzialisierte, egozentrische
Gesellschaft abstrafen.
Ofczarek: Ein sehr konservativer Killer (lacht) …
ZEIT
ONLINE: … mit durchaus politischem Beigeschmack.
Ofczarek:
Wir erleben ja gerade in Europa und auf der ganzen Welt, dass der sogenannte Konservativismus fast geradezu pervertiert.
Dass wir uns zurücksehnen nach einer guten alten Zeit, aber auf der anderen
Seite unseren modernen Wohlstand nicht aufgeben wollen. Es ist eine seltsame
Fratze des Kapitalismus: der unbedingte Wille, das, was man geschaffen hat, zu
schützen. Man könnte es ja wieder verlieren.
ZEIT
ONLINE: Dem Killer geht es um eine Abkehr vom Kapitalismus – er möchte zurück
zu einem naturhaften Leben, was auch wieder ein Topos ist, der von vielen
Rechten instrumentalisiert wird.
Ofczarek:
Er wird nicht als explizit rechts dargestellt. Ich finde, die Abgrenzung
zwischen Rechten und Linken verschwimmt – man kann das nicht mehr so eindeutig
benennen wie vor 20 Jahren. Es wird komplexer, schwieriger.
Hits: 16



















