Die
Bundesregierung hat vor einigen Wochen ein “Gute-Kita-Gesetz” beschlossen. Zusätzliche
5,5 Milliarden Euro sollen bis 2022 vom Bund in die Verbesserung der Kitas fließen. Das Gesetz ist ein Anfang, muss aber deutlich verbessert werden, vor allem hinsichtlich der Sicherung von qualitativen Mindeststandards. Was in dieser Diskussion jedoch gerne
vergessen wird: Mehr als 100.000 der Drei- bis Sechsjährigen besuchen zurzeit gar keine
Kita.
Diese Kinder kommen vor allem aus Familien mit geringeren Einkommen, mit wenig
Bildung und mit Migrationshintergrund, und würden erheblich vom Besuch einer Kita
profitieren. Die Frage in dieser wichtigen Diskussion sollte daher sein: Wie
kann unsere Gesellschaft auch diesen Kindern den Kitabesuch ermöglichen?
Einige Studien
belegen die enorme Bedeutung der frühkindlichen Bildung, nicht nur für die
Bildungschancen, sondern auch für die Chance im Arbeitsmarkt und für die gesellschaftliche
Teilhabe. Der Nutzen eines Euro, den der Staat in die frühkindliche Bildung
investiert, ist deutlich höher als bei einem Euro, der in Grundschulen oder
weiterführende Schulen fließt. Kinder, die wichtige kognitive und
nicht-kognitive Fähigkeiten bis zum Alter von sechs Jahren nicht erlernt haben,
haben es in ihrem Bildungs- und Lebensverlauf viel schwieriger, sich gewisse
Fähigkeiten anzueignen.
Eine Studie
meiner Kolleginnen am DIW Berlin Sophia Schmitz und Katharina Spieß zeigt, dass
sechs Prozent aller Drei- bis Sechsjährigen in Deutschland keine Kita besuchen.
Die Zahl mag vielen als gering erscheinen. Bei Geburtenjahrgängen von um die
700.000 Kindern in den letzten Jahren bedeutet dies jedoch, dass mehr als 100.000
der Kinder über drei Jahren zurzeit nicht in die Kita gehen.
Dies betrifft zwar Kinder
aus allen gesellschaftlichen Gruppen, häufig aber Kinder aus Familien mit
geringen Einkommen, mit Müttern, die einen geringen oder keinen Bildungsabschluss
haben, oder Kinder, deren Eltern beide einen Migrationshintergrund haben. Und
es sind vor allem diese Kinder, denen der Besuch einer Kita besonders helfen würden.
Dies heißt
nicht, dass alle 100.000 Kinder besser dran wären, wenn sie in die Kita gehen
würden. Viele dieser Kinder werden zu Hause von ihren Eltern oder durch
alternative Angebote, wie Eltern-Kind-Gruppen, gut betreut. Aber zur Wahrheit
gehört auch, dass ein signifikanter Anteil dieser 100.000 Kinder in der Tat
deutlich von dem Besuch einer Kita profitieren würden.
Zum Teil
sehen Eltern wegen zu hoher Kosten oder weil sie keinen Kitaplatz haben davon
ab, ihre Kinder in eine Kita zu schicken. Auch die Mentalität und Werte der
Eltern mögen eine wichtige Rolle spielen. Dabei erlebt Deutschland seit der
Wiedervereinigung einen großen Wertewandel in Bezug auf Kinderbetreuung und
Frauenbild. 68 Prozent
der Westdeutschen waren 1994 noch überzeugt, dass ein Kind, das noch
nicht zur Schule geht, darunter leidet, wenn seine Mutter berufstätig ist.
Dieser Anteil fiel auf (noch immer erhebliche) 32 Prozent im Jahr 2012. Nur 13 Prozent
der Ostdeutschen waren zum selben Zeitpunkt dieser Ansicht. Zudem gaben 2012
noch 42 Prozent in Westdeutschland an, dass Familienmitglieder die Betreuung
von Kindern, die noch nicht zur Schule gehen, übernehmen sollten. Viele Eltern
haben ein falsches Verständnis davon, was einem Kind der Besuch einer Kita
bringt.
Was können
Politik und Gesellschaft tun, damit nahezu alle Drei- bis Sechsjährigen in Zukunft eine
Kita besuchen? Mehr Informationen und Aufklärung sind sicherlich ganz wichtige
Elemente, genauso wie eine bessere Qualität und Verfügbarkeit von Kitaplätzen.
Obwohl jedoch seit vielen Jahren mehr Gelder und Aufmerksamkeit für Kitas
bereitgestellt werden, ist in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der
Kinder, die keine Kita besuchen, kaum gesunken. Es ist also fragwürdig, ob eine
Informationskampagne alleine diesen Anteil deutlich reduzieren könnte.
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