Glaubt
man Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, dann hat sein Unternehmen eigentlich nur
das Wohl der Gesellschaft im Blick: Eine Plattform für alle wolle Facebook sein, freundschaftsfördernd, grenzenlos verbindend und kostenfrei. Da sei Werbung, insbesondere persönlich zugeschnittene, der Weg, um das zu erreichen. Schließlich würden Nutzerinnen und Nutzer am Ende nur profitieren. Clickbaiting unterbinde man ja auch aus
Eigeninteresse, denn das mag wirklich niemand. Und solange jede und jeder mit einem Facebook-Profil weiß, was mit den eigenen Daten geschehe, sei Regulierung gut für alle.
So
schreibt es der CEO der weltweit größten Social-Media-Plattform in einem
Gastbeitrag für ZEIT ONLINE. Was Mark Zuckerberg erstaunlicherweise nicht erwähnt, ist, dass sein
Unternehmen gerade ziemlich unter Druck steht. Seit dem Skandal um das Analyseunternehmen
Cambridge Analytica, das illegal Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzerinnen
und -Nutzern abgegriffen hatte, waren die Praktiken des Netzwerks
immer wieder hinterfragt worden. ZEIT ONLINE hat sich auch deshalb entschieden,
dem Unternehmenschef die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern und eine
Debatte über das soziale Netzwerk zu eröffnen.
Wer
sich erhofft hat, dass Zuckerberg in seinem Beitrag endlich mal konkret auf die
Themen Datenschutz, Privatsphäre und personalisierte Werbung eingeht, der wird
enttäuscht. Letztlich enthält der Text viele Aussagen, die der Firmengründer
auch in der Vergangenheit schon von sich gegeben hat. Auf die lauwarmen Ausführungen antwortete als Erste die
Bundesjustizministerin Katarina Barley in einem exklusiven Gastbeitrag auf ZEIT ONLINE unter anderem mit den Worten: “Es ist kein Verlass darauf, dass Facebook sein Bestes gibt“. Sie fordert, das Netzwerk internationalen Regeln zu unterwerfen. Trotzdem zeigt Zuckerbergs Beitrag auch, dass er
sich genötigt fühlt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, indem er das eigene Geschäftsmodell nicht mehr nur per Facebook-Post darstellt.
Freie Entscheidung, welche Daten wir teilen? Eher nicht
“Wir hören von Menschen immer
wieder, dass sie sich Anzeigen wünschen, die für sie relevant sind”, schreibt Zuckerberg beispielsweise und geht auf die vielfach kritisierte personalisierte Werbung ein. Ob er sich dabei allerdings auf persönliche Anekdoten oder Studien
bezieht, teilt er leider nicht mit. Zumindest in Deutschland zeigte sich 2017 bei
einer repräsentativen YouGov-Umfrage jedenfalls mehr als jede Dritte (38 Prozent) genervt von
personalisierter Werbung.
Jede
Nutzerin und jeder Nutzer könne ja frei entscheiden, welche Informationen er
oder sie für Werbezwecke freigeben wolle oder nicht, schreibt Zuckerberg
weiter. Allerdings ist freie Entscheidung ein dehnbarer Begriff. Denn
allein durch ihre Nutzung von Facebook stimmen Menschen zu, dass das
Netzwerk bestimmte Daten verwerten darf. Zudem stellt sich die Frage, wie viele
Nutzerinnen und Nutzer eigentlich wissen, dass sie in ihrem Facebook-Profil
einsehen können, welche Interessen das Unternehmen ihnen zuschreibt. Wollte es
wirklich so nutzerfreundlich sein, wie Zuckerberg in dem Beitrag schreibt, würde
es eine Opt-in- statt einer Opt-out-Funktion anbieten: Die Nutzerin
müsste erst explizit dem Datensammeln zustimmen.
Vor
diesem Hintergrund klingt auch ein anderes Argument Zuckerbergs gleich ganz
anders: Als man Menschen im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) um
Erlaubnis gebeten habe, ihre Informationen zur Verbesserung von Anzeigen
verwenden zu dürfen, schreibt der Gründer, habe es die überwiegende Mehrheit
erlaubt, “da sie relevantere Anzeigen bevorzugen”. Diese Schlussfolgerung ist mitunter perfide, wenn man bedenkt, wie rasch Menschen im Netz mittlerweile auf “Akzeptieren” oder “Weiter” klicken, wenn nur die Wendung “Allgemeine Geschäftsbedingungen” aufploppt, oder
mit einem “Stimmen Sie zu?” einverstanden sind, weil sie manche Dienste sonst gar nicht nutzen könnten. Und die dahingehende Aufklärung hat sich nicht weiterentwickelt. Bei
einer österreichischen Umfrage aus dem Jahr 2018 gaben dann auch 78 Prozent der Befragten
an, die Facebook-AGB
nicht gelesen oder nur überflogen zu haben. Dass hinter dieser Erlaubnis
bei der DSGVO eine bewusste Entscheidung steckt, darf man bezweifeln. Zumindest eine mit vielleicht schlechtem Gewissen. Natürlich muss niemand Facebook nutzen – doch das kann keine Ausrede sein.
Zuckerberg
schreibt auch, dass man einen kostenlosen Dienst geschaffen habe, damit ihn
sich jeder leisten könne. Das mag sein. Allerdings verschweigt er dabei, dass
er so womöglich auch sehr viel mehr Geld verdienen kann. Würde man äußerst
optimistisch kalkulieren, dass alle 2,26 Milliarden monatlich aktiven
Nutzerinnen von Facebook-Diensten nur einen Euro im Monat für die Nutzung zahlen
würden, käme das Unternehmen auf einen Jahresumsatz von 27 Milliarden
Dollar. Zum Vergleich: Allein
in den ersten drei Monaten 2018 hat das Unternehmen 39 Milliarden Dollar
umgesetzt – 38,4 Milliarden davon mit Werbung. Natürlich ist das keine
wissenschaftlich fundierte Rechnung, aber sie verdeutlicht die
wirtschaftliche Komponente.
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