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Klimaschutz: Tempolimit und höhere Spritpreise?

Ja: Nur wenn langsamer gefahren und weniger Benzin verbraucht wird, sind die Klimaziele zu erreichen

Von Bernd Ulrich

Wer wissen will, ob ein Tempolimit von 130 km/h sinnvoll ist, braucht
dafür bloß ein modernes deutsches Auto. Dort findet sich eine Einstellung namens “eco”, bei
deren Betätigung das Auto ab einem bestimmten Tempo den Fahrer auffordert, die Geschwindigkeit
zu reduzieren. Und bei welchem Tempo? Genau: bei 130 km/h. Die deutsche Autoindustrie ist also
offenbar selbst der Meinung, dass dieses Tempolimit geeignet ist, den CO₂-Ausstoß zu
verringern.

Kein Wunder also, dass dies auch die Berater des Verkehrsministers vorschlagen. Andreas Scheuer reagierte darauf jedoch ungehalten, nannte es “gegen jeden Menschenverstand”. Gewiss
kann man zum Tempolimit verschiedene Meinungen haben; allerdings den Rat der Wissenschaftler
und die geübte Praxis aller anderen Industrienationen (in den USA seit 1974!) als komplett
irrational abzutun zeigt Scheuers Desinteresse an einer sachlichen Debatte. Sogleich
assistierte ihm
Bild
und fragte im Namen “der” Autofahrer: “Was haben wir euch
getan?”

So laufen zurzeit die Öko-Debatten: Jene, die spürbare Maßnahmen fordern, werden als Spinner
denunziert; jene, die ihr Konsum- und Mobilitätsverhalten mit Rücksicht auf das Klima
verändern sollen, werfen sich in die Opferrolle. Eine kühne Wendung angesichts dessen, dass
die Zahl der angemeldeten Autos hierzulande steigt, der Fleischkonsum nicht sinkt, die Zahl
der Flüge nach oben geht. Die dröhnende Normalität geriert sich als Tabubruch, die alles
beherrschende Lebensweise als armes Hascherl.

Zudem wird angeführt, diese oder jene Maßnahme bringe nicht viel, weswegen sie nur
ideologisch motiviert sein könne. Warum ein Tempolimit, warum nicht lieber weniger fliegen
oder weniger Fleisch? Nun, weil Deutschland die von der Regierung unterschriebenen
CO₂-Reduktionsziele nur dann noch erreichen kann, wenn langsamer gefahren
und
weniger
Fleisch konsumiert
und
weniger geflogen wird. Es geht um 40 Prozent weniger CO₂ bis
Ende dieses Jahres im Vergleich zu 1990, um 55 Prozent bis 2030. Tatsächlich wurde seit 1990
im Verkehr überhaupt kein CO₂ gespart. Was angesichts dieser Zahlen noch hilft, ist: alles
zusammen. Auch die von Regierung und Industrie verursachte Dieselkrise wird sich bald in Luft
auflösen, weil der motorisierte Individualverkehr in den Städten ohnehin drastisch
zurückgefahren werden muss.

All das will die ökologisch zunehmend reaktionäre Bundesregierung nicht zugeben, die das Land
durch jahrelanges Zuwarten erst in diese Drucksituation gebracht hat. Stattdessen stellt sich
die Landwirtschaftsministerin schützend vor die industrielle Fleischproduktion, der
Verkehrsminister vor die Autoindustrie und Andrea Nahles vor die Kohlekumpel – das
Koalitionskarussell der Verantwortungslosigkeit. Wer wirklich die Braunkohlekraftwerke länger
laufen lassen will, muss dazusagen: Esst stattdessen weniger Fleisch. Tofu für den Tagebau,
das wär doch mal was!

Wer spürbare Maßnahmen fordert, wird als Öko-Spinner diffamiert.

Weil sich Regierung und viele Medien mit diesen nachrechenbaren Zwängen ungern befassen,
verwandeln sie jedes materielle ökologische Problem in ein ideologisch-moralisches, nach dem
Motto: Wir lassen uns von ökologischen Moralaposteln nicht unsere Freiheit nehmen. Nur, es
geht überhaupt nicht um Moral, sondern um CO₂, ein Gas, mit dem weder zu verhandeln noch zu
spaßen ist. Und den Zwang auf das Morgen üben nicht Ökologen aus, sondern die unökologischen
Verhaltensweisen von gestern und heute. Für sich selbst ein Sonderverschmutzungsrecht zu
reklamieren, das zehnmal höher ist als global zuträglich, ist überdies nicht liberal, sondern
feudal.

Dann wird noch das Soziale bemüht, die vorgeschlagene Steuer auf Benzin etwa schade den
Ärmsten. Jedoch gibt es längst Steuermodelle, die genau dies verhindern, indem sie die
Einnahmen als Öko-Bonus zurückzahlen, pro Kopf dieselbe Summe (siehe etwa www.clcouncil.org/our-plan). Ohnehin könnten
Mittel- und Oberschicht mal damit aufhören, im Namen der Armen dieses Land in die ökologische
Krise zu rasen, zu essen und zu reisen.

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