Wie stehen die Menschen in Deutschland zur Integration? Die repräsentative
Bevölkerungsumfrage “Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit – ZuGleich” erhebt das
seit 2014 alle zwei Jahre. Im Rahmen der dritten Erhebung wurden 2.009 Personen
telefonisch befragt. Gefördert wird die Studie von der Stiftung Mercator.
Professor Andreas Zick ist Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld und leitet die Studie.
Im Interview spricht er darüber, wie sich die Kriterien, um dazuzugehören,
verändert haben.
ZEIT ONLINE: Herr Zick,
Deutschland erlebe einen Rechtsruck, heißt es oft. In Ihrer Studie Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit kommen Sie und Ihre Kollegin Madlen Preuß
zu einem anderen Ergebnis. Demnach hat sich das Integrationsklima, also die
Zustimmung zu Zuwanderung und Integration, seit 2014 kaum verschlechtert, seit
2016 sogar leicht verbessert. Wie erklären Sie sich das?
Andreas
Zick: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem öffentlichen und politischen Diskurs
über Migration und Integration auf der einen und der Lebensrealität der
Menschen auf der anderen Seite. Wir haben beispielsweise einen öffentlichen
Diskurs um Abschiebung und Probleme der Integration, im Alltag bekommen die
meisten Menschen das aber gar nicht mit. Rund 80 Prozent unserer Befragten
befürworten eine vielfältige und heterogene Bevölkerungsstruktur. Zwar sprechen
sich 30 Prozent gegen eine stärkere Willkommenskultur aus, aber inzwischen auch
38 Prozent dafür. Wir fragen in der Studie die Bürger auch danach, welche
Kriterien sie für die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft anlegen und wie
sie deren Öffnung wahrnehmen. Und dabei stoßen wir auf Widersprüche.
ZEIT ONLINE: Was folgt
für die Politik daraus?
Zick: Ein
Problem ist, dass die Politik meint, der rechtspopulistische Diskurs sei ein
Mehrheitsdiskurs. Aber das ist er nicht, er ist es maximal vereinzelt auf
lokaler Ebene. Zudem betont sie die Konfliktfragen in der Gesellschaft zu
stark. Die Zivilgesellschaft möchte mehr Offenheit, die Politik aber hat zu
wenig darauf reagiert. Auch das hat zu einer Entfremdung von der Politik und zu
einem Misstrauen geführt.
ZEIT ONLINE: Aber ist
das gängige Bild nicht das andere? Der Eindruck, dass Merkels
Flüchtlingspolitik und die Willkommenskultur zu einer Abkehr von den etablierten
Parteien geführt haben?
Zick: Das gibt
es auch, eine Polarisierung der Gesellschaft. Flucht und Migration
funktionieren generell wie ein Stresstest. Große Fluchtbewegungen machen
Systeme erst einmal instabiler. Generell lautet die Frage immer: Welche Stimme
ist laut und welche ist leise? Es gab seit 2014 eine starke Zunahme in der
Flüchtlingshilfe. Aber die politischen Debatten haben nicht die erfolgreiche
Zivilgesellschaft, sondern die Überlastung der Bürger thematisiert. Weil
Flüchtlingshelfer keine politische Gruppierung sind, keine soziale Bewegung,
sondern Menschen, die leise helfen. Die Bürger sehen auch die Konflikte, die
mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen einhergingen. Das war schon bei unserer
ersten Befragung 2014 so. Und doch sind sie gemäßigter. Nur heißt das eben
nicht, dass auch die politische Debatte gemäßigt geführt wird. Die
Rechtspopulisten haben lange die Themen gesetzt.
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