/“Tatort” Dortmund: Plump und zusammengeschustert

“Tatort” Dortmund: Plump und zusammengeschustert

Der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund hat dem WDR einen Brief
geschickt. Darin beschwert sich Ullrich Sierau über die letzte Tatort-Folge
aus der Stadt, die er regiert. “Nicht zuletzt nach der Ausstrahlung der
Dortmunder Folge von Sonntag, 20. Januar, muss ich meine früher getätigte
Aussage, dass ein Tatort die Stadt
adelt, revidieren. Was sich in vorherigen Folgen schon angedeutet hat, lässt
sich nach der Folge von Sonntag nur als fortwährendes Mobbing gegenüber einer
Stadt, einer Region sowie den dort lebenden Menschen bezeichnen.” Das
Schreiben endet mit dem Bescheid: “Ich
persönlich hätte nichts dagegen, wenn Sie den Dortmund-Tatort einstellen und Kommissar Faber und sein Team in den
vorzeitigen Ruhestand schicken würden.”


"Tatort" Dortmund: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Nun kann man dem erbosten Politiker vorhalten, dass er Film
und Wirklichkeit verwechselt, wie das der WDR in einer kurzen Antwort dargelegt
hat: “Der Tatort ist Fiktion –
aus dramaturgischen Gründen wird auch verdichtet und zugespitzt.” Das mit
dem “Mindestmaß an Bezug zur Realität”, den der OB sich wünscht,
funktioniert im Film anders als im echten Leben: Der Münsteraner Tatort wird zum Teil in Köln gedreht (so
wie der Rostocker Polizeiruf zum Teil
in Berlin entsteht), und das mitunter auch, wenn es sich nicht um Innenszenen
handelt. Die Aufnahmen im Zoo, die in der Folge Schlangengrube
zu sehen waren, wurden im Kölner Tierpark gemacht und nicht in dem von Münster.

Man kann dem Dortmunder OB weiterhin auseinandersetzen, dass
er eine eindimensionale Vorstellung von PR und Marketing hat – als ob sich ein
Image nur ausprägen könne, wenn die Bordsteine geputzt sind. Der legendäre
Duisburger Tatort mit dem
“Schmuddel-Kommissar” Schimanski, dem der erstaunlich beliebte
Dortmunder Ermittler Faber (Jörg Hartmann) erkennbar nacheifert, ist heute als Tourismusattraktion in die Stadtgeschichte
integriert – auch wenn, wie sich Götz George später erinnerte,
zu Beginn keineswegs die ganze Stadtpolitik von der Interpretation des
Schauplatzes überzeugt war: “Der
Bürgermeister damals, der Krings, der war auf unserer Seite, der fand das alles
okay. Die anderen wollten halt Bad Duisburg sehen: Mach das doch mal von der
schönen Seite, wir haben doch auch schöne Ecken.”

Bier trinkend in Trainingsanzügen

Und dennoch berührt die Kritik aus der Realität einen wunden
Punkt an der Fiktion – der OB hat nur nicht die richtigen Begriffe dafür gefunden. Wenn
er schreibt: “Die Macher dieser Folge geben die Menschen einer Region der
Lächerlichkeit preis, in dem sie diese Bier trinkend in Trainingsanzügen vor
heruntergekommenen Häusern herumstehen lassen”, dann heißt das, wenn diese
Übersetzungshilfe gestattet ist, natürlich nicht, dass Menschen in
Trainingsanzügen vor heruntergekommenen Häusern per se lächerlich wären.

Man kann nämlich mit solchen Menschen vor solchen Häusern
durchaus berührende, wahrhaftige, schöne Geschichten erzählen. Diese
Geschichten bedürften allerdings besserer Konstruktionen, als sie das
holzklotzige Drehbuch des “Tatort
Dortmund”-Erfinders Jürgen Werner bereitstellte. In Zorn, der Folge vom vergangenen Sonntag, bekleidete der
Trainingsanzug keine eigensinnige, spezifische Figur (jede Wette: an der hätte
sich der Zorn des OBs nicht entzündet), sondern eine unausgegorene dramatische
Funktion in einem schematischen und, was den Fall betrifft, auch ziemlich
unklaren Krimi.

Das Drehbuch von Zorn
hatte etwas Relotiöses, und das nicht, weil es sich wie im Fall des betrügenden
Spiegel-Redakteurs um eine
ausgedachte Geschichte handelt. Der Tatort
spielte uninspiriert mit den einfachsten Vorstellungen, eben Klischees, die man
sich von der Region machen kann.

Solche Entwürfe kommen zustande, wenn jemand nicht von dem
Reiz, der Originalität seiner Fiktion überzeugt ist – vielmehr sind sie das
Ergebnis einer Servicementalität, die sich an eingebildeten Erwartungen
orientiert, die es möglichst vielen Leuten (der WDR-Redaktion) recht machen
will.

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