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Rechtsextremismus: Nazikonzerte im Konzentrationslager

Immer wieder kommt es in Leipzig zu rassistischen Vorfällen. Die Szene der Neonazis hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt – doch Rechtsextreme setzen weiter auf drastische Provokationen.

Von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Leipziger demonstrieren am Vorabend des 80. Jahrestags der Novemberpogrome. © Tim Wagner
Leipziger demonstrieren am Vorabend des 80. Jahrestags der Novemberpogrome. © Tim Wagner

20. September 2018. Ein Mann hält mit seinem Fahrrad vor dem Leipziger Hauptbahnhof, um kurz zu telefonieren, als eine Frau auf ihn zukommt und sagt: „Du darfst hier nicht so laut sprechen, weil du schwarz bist, und du darfst nicht in unserer Heimat bleiben.“ Der Mann antwortet, dass er hierbleibe und an dem Ort lebe, wo er möchte. Daraufhin bewegen sich vier etwa 30 Jahre alte Männer in dessen Richtung und werfen mit Bierflaschen nach ihm. Der Geschädigte versucht, mit seinem Fahrrad zu fliehen, wird jedoch an seiner Umhängetasche festgehalten. Die vier Männer schlagen und treten auf den Mann ein, er wird an Beinen und Armen getroffen. Er kann sich losreißen, muss aber die Tasche zurücklassen.

Der Vorfall vom Hauptbahnhof ist eins von vielen Ereignissen, das verheerende Verhältnisse in der sächsischen Metropole beschreibt: ein Bild der Ausländerfeindlichkeit, des Hasses, der Intoleranz. Gesammelt werden Fälle wie dieser von der Dokumentationsplattform chronik.LE, die sie zweijährlich in der Broschüre Leipziger Zustände veröffentlicht. Die aktuelle Chronik, die am Montag vorgestellt wurde, bringt es auf stattliche 116 Seiten.

Das neue Gesicht der Naziszene

Das Fazit: Rechtsextremismus ist in Leipzig keineswegs ein neues Problem – nur seine Form hat sich verändert. „Alte Strukturen sind zerbrochen“, schreiben die Verfasser, die Neonaziszene habe sich gewandelt, doch ihre Akteure seien weiter aktiv. „Sie bemühen sich, das anschlussfähigere Außenbild der Bürgerbewegungen zu nutzen, um mehr Zuspruch zu ihrer autoritären Ideologie zu gewinnen“ – also Proteste wie die Märsche von Pegida.

Andere versuchten, gewalttätige bis terroristische Aktionen im Geheimen zu organisieren. Das habe sich etwa 2015 nach dem Auffliegen der Terrororganisation Oldschool Society oder beim Angriff auf den linken Stadtteil Connewitz im Januar 2016 gezeigt.

„Das gesellschaftliche Klima hat sich auf beängstigende Weise gewandelt“, erklärt der Pressesprecher von chronik.LE, Steven Hummel. „Das hat auch zu einer Neuausrichtung und zum Aufschwung der politischen Rechten bundesweit und in der Region beigetragen.“ Die namensgebenden Zustände in Leipzig umfassen darum ein weites Spektrum, in dem Rechtsextremismus gedeihen kann: Migration und Rassismus, Geschlecht und Sexismus, die AfD, die Verdrängung sozial Schwacher. Weite Teile der Broschüre sind alltäglicher Diskriminierung gewidmet.

Neonazis sollen ehemaliges KZ-Außenlager genutzt haben

Rechtsextremismus: Das Konzentrationslager Buchenwald unterhielt seit 1943 eine Außenstelle in Leipzig. © Jan Woitas/dpa
Das Konzentrationslager Buchenwald unterhielt seit 1943 eine Außenstelle in Leipzig. © Jan Woitas/dpa

Zugleich macht die organisierte Neonaziszene weiter mit drastischen Provokationen. So nutzten Rechtsextreme bereits seit zehn Jahren das Gelände und die teilweise noch erhaltenen Gebäude eines ehemaligen KZ-Außenlagers als Treffpunkt und Veranstaltungsort. Auch Konzerte sollen dort stattgefunden haben. Eine Gedenktafel, die vor Ort an das Verbrechen und die Opfer erinnert, werde regelmäßig zerstört. In Leipzig war 1943 ein Außenlager des Thüringer Konzentrationslagers Buchenwald errichtet worden.

Mit Blick auf die im September 2019 anstehenden Landtagswahlen in Sachsen beschäftigt sich die Chronik mit der AfD und anderen Strömungen der sogenannten Neuen Rechten. Denn nach der Wahl dürfte die AfD mit der CDU um die Position als stärkste Fraktion im Landtag konkurrieren. Teile der sächsischen Unionspartei schließen eine Regierungsbildung mit der Rechtsaußenpartei nicht mehr aus – trotz großer Gefahren: Inzwischen vertrete die AfD eindeutig „ein völkisch-nationalistisches Weltbild“ und arbeite teils mit Anhängern von verfassungsfeindlichen Gruppierungen zusammen.

Damit komme sie besonders im Leipziger Umland und in den Randgebieten der Stadt an, wie eine Analyse der Wahlergebnisse zur Bundestagswahl zeigt. Doch auch Leipzig an sich dürfe nicht als immun gelten. Ausführlich beschäftigt sich die Broschüre mit dem Stadtteil Leipzig-Grünau. In dieser Situation müssten sich demokratische Initiativen vor allem im ländlichen Raum gegen Angriffe der sogenannten Neuen Rechten, der AfD und ähnlicher Gruppen wehren. Dabei stünden sie oft allein einer schweigenden Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner gegenüber.

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