Wie ein Kolossalgemälde zeigt der neue Roman von Steffen Mensching die Welt der sowjetischen Lager.
19. Januar 2019, 15:13 UhrEditiert am 19. Januar 2019, 15:13 Uhr
Zwölf Jahre schrieb der Autor an diesem unzeitgemäßen Roman. Steffen Mensching – zur DDR-Zeit Lyriker und subversiver Clown, seit 2008 Intendant des Theaters
Rudolstadt – hat ein Epochenwerk des Totalitarismus erschaffen, das seinesgleichen sucht, aber
heute kaum mehr findet. Es beginnt, wo es 1941 endet: am Anus der Welt, in einem sowjetischen
Lager bei Archangelsk. In diese Eishölle gerät der jüdische Grafologe Rafael Schermann. Im
alten Wien hat er als hoch dotierter Star-Hellseher praktiziert. Österreichs nazideutscher
“Anschluss” vertreibt ihn nach Polen. Dort ereilt ihn 1939 der Hitler-Stalin-Pakt, sodann der
Krieg. Schermanns Weiterflucht nach Osten endet im Gulag, wo man ihn als trotzkistischen Spion
bezichtigt und verhört. Da der Greis nur Deutsch zu sprechen vorgibt, muss ein Dolmetscher
her: der Sträfling Otto Haferkorn. Dieser proletarische Berliner Jungkommunist ist 1934 nach
Moskau geflohen. Dort wurde er 1938 tschekistisch verdächtigt, jedoch – unbegreifliches Glück!
– nicht erschossen, sondern begnadigt: zehn Jahre Gulag. Zwei sind um.
Hits: 6