Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Europäische Union aufgerufen, sich um den Verbleib Großbritanniens in der EU zu bemühen. “Jetzt müssen sich nicht nur die Briten bewegen, sondern auch wir anderen Europäer”, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. “Aus meiner Sicht birgt das bloße Zuschauen das
größte Risiko.”
Gabriel forderte, den für den 29. März geplanten Austritt zu verschieben. Dann solle Großbritannien das weitere Vorgehen klären. Die “beste aller denkbaren Lösungen” sei ein zweites Referendum über einen vollen Verbleib in der EU, sagte der Politiker. Notwendig sei es dafür aber, neu zu definieren, worüber abgestimmt wird. Als parallelen Schritt schlug Gabriel zudem EU-weite Vorgaben zur Migration vor. Mit einer solchen Regelung könne man “vielen Briten ihre Sorgen nehmen”.
“Keine Anzeichen, dass die Angst vor dem ungeordneten Brexit zur Vernunft führt”
Neuverhandlungen der Europäischen Union mit Großbritannien würden ein Risiko bergen, räumte Gabriel ein. Es sei nachvollziehbar, dass die EU-Spitze in Brüssel den Druck auf das britische Unterhaus aufrechterhalten wolle. Doch leider gebe es bislang in London “keine Anzeichen, dass die Angst vor dem ungeordneten Brexit zur Vernunft führt”.
Im Fall eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der EU halte er die wirtschaftlichen Folgen nicht für die schwerwiegendsten Konsequenzen, sagte Gabriel: “Die wirkliche Gefahr besteht darin, dass der Rest der Welt Europa endgültig für einen schwächlichen Kontinent hält.”
Österreichs Bundeskanzerl Sebastian Kurz (ÖVP) signalisierte derweil Bereitschaft, den Termin des britischen EU-Austritts zu verschieben. “Wenn London eine ordentliche Strategie und ein Plan vorlegt, dann wäre
eine Verschiebung des Austrittstermins um ein paar Monate vorstellbar”,
sagte Kurz der Welt am Sonntag. “Großbritannien ist jetzt am Zug,
seine Vorstellungen zu präzisieren.” Von einer Einigung in den Verhandlungen profitierten alle Seiten, fügte der österreichische Regierungschef hinzu. “Ein harter, ungeordneter Brexit würde uns allen schaden“. Darum setze man in der EU daran, ein No-Deal-Szenario zu vermeiden.
Das britische Unterhaus hatte am vergangenen Dienstag gegen das Austrittsabkommen gestimmt, das die Regierung von Theresa May und die EU ausgehandelt hatten. Ein Misstrauensvotum gegen die Regierung, das die Opposition nach der Niederlage beantragt hatte, überstand die Premierministerin und will am kommenden Montag einen sogenannten Plan B vorlegen.
Hits: 6