Ende des Jahres bekamen wir eine Mail von Jens Matthies. Er wolle sein Abo kündigen, schrieb er, der Grund: die ständig negative Berichterstattung über den HSV. Unser Sportredakteur Kilian Trotier hat sich mit Matthies getroffen und mit ihm über seine Kritik, die zweite Liga und die anstehende Präsidentschaftswahl am 19. Januar gesprochen.
ZEIT ONLNE: Herr Matthies, was hat
Sie an meinen Texten genervt?
Matthies: Ich habe sie tendenziös gefunden.
Sie haben den HSV häufig unnötig schlechtgemacht und eher für den FC St. Pauli
argumentiert. Dass das einen nicht durch die neutrale Brille schauenden HSV-Fan
aufregt, ist doch nachvollziehbar.
ZEIT ONLINE: Wann war es am
schlimmsten?
Matthies: Um den Abstieg herum. Sie haben das nicht in den Kontext
gesetzt. Der VfL Wolfsburg stand auch zweimal in den letzten fünf Jahren in der
Relegation, der HSV ist kein Einzelfall. Er wird aber immer dargestellt wie der
größte Idiotenclub.
ZEIT ONLINE: Sie müssen zugeben, dass die Leistungen auf dem Platz oft
katastrophal waren.
Matthies: Das stimmt. Aber ich kann die Häme nicht nachvollziehen, mit der über
den Verein berichtet wurde.
ZEIT ONLINE: Wie sind Sie HSV-Fan geworden?
Matthies: Im Frühjahr 1977 lud der Verein 25.000 Schüler zum Spiel gegen
Rot-Weiß Essen ein, da hat Horst Hrubesch noch bei denen gestürmt. Die
Atmosphäre war für mich als Elfjährigen gigantisch. Ich ging wieder hin und bin
so hängen geblieben.
ZEIT ONLINE: Seitdem schauen Sie jedes Heimspiel?
Matthies: So gut wie. Seit 27 Jahren gehe ich mit meiner Frau hin, seit zehn
Jahren haben wir eine Stehplatzdauerkarte, direkt unter der Uhr ist unser
Platz.
ZEIT ONLINE: Wie geht’s Ihnen in der zweiten Liga?
Matthies: Auch wenn schon 18 Spiele rum sind, fühle ich mich immer noch wie im
falschen Film. Vereine wie Heidenheim oder Sandhausen, ich möchte sie nicht
abwerten, aber das möchte ich mir nicht länger antun. Mein persönlicher Anspruch
ist, dass der HSV nur eine Saison in der zweiten Liga bleibt. Das ist auch
finanziell wichtig, weil es in der ersten Liga wieder mehr Gelder aus
Fernseheinnahmen gibt.
ZEIT ONLINE: Ganz so schlecht ist die zweite Liga doch nicht. Immerhin gewinnt
der HSV dort öfter und ist Tabellenführer.
Matthies: Könnte man so sehen. Für mich sind die Siege aber nur ein nächster
Schritt hin zum Ziel. Die Freude ist gerade nicht so stark ausgeprägt, wie man
das vielleicht vermuten könnte.
ZEIT ONLINE: Am Samstag steht eine Richtungsentscheidung im Verein an. Die
Mitglieder wählen einen neuen Präsidenten. Wie blicken Sie darauf?
Matthies: Ich bin recht entspannt. Sicherlich ist die Wahl eines Präsidenten
nicht unbedeutend, aber seit der Rückkehr von Bernd Hoffmann habe ich das
Gefühl, dass im Verein wieder größere Kontinuität herrscht und nicht jeder nur
sein Ego streichelt.
ZEIT ONLINE: Zur Wahl stehen der Ex-Spieler Marcell Jansen, der Ex-Präsident
Jürgen Hunke und der Ex-Vize-Präsident Ralph Hartmann. Haben Sie einen Favoriten?
Matthies: Um ehrlich zu sein: Nein. Alle drei haben öffentlich geäußert, dass
sie die Finanzen in Ordnung bringen wollen, das ist wichtig. Und alle drei
wollen alles reingeben in den Job. Für mich zählt, dass es nicht so läuft wie
bei Jens Meier, der Chef der HHLA ist und HSV-Präsident nur im Nebenjob war.
ZEIT ONLINE: Welche Schlagzeile möchten Sie bei uns in diesem Jahr lesen?
Matthies: Am 19. Mai, dem letzten Spieltag der zweiten Liga: Es ist geschafft!
HSV wieder erstklassig!
ZEIT ONLINE: Es könnte doch auch sein, dass der HSV schon vorher den Aufstieg
perfekt macht.
Matthies: Wie ich meinen Verein kenne, wird es bis zum letzten Spieltag
spannend bleiben.
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