Warum etwas Teil der Popkultur wird, ist im Nachhinein oft
gar nicht so leicht zu erklären. Wenn man sich heute etwa fragt, was genau an
der ersten Staffel von True Detective
so außergewöhnlich war, fallen einem zunächst die üblichen Schlagworte ein: die
Sumpflandschaften von Louisiana, ein Ritualmord, ein philosophischer Cop und
sein Redneck-Partner (Matthew McConaughey und Woody Harrelson). Schaut man sich
dann aber ein paar Szenen an, spürt man ihn sofort wieder, den leisen
Horror, den erstaunlichen Sog, den diese Geschichte ausgelöst hat.
Vor fast genau fünf Jahren, am 12. Januar 2014,
strahlte HBO die Erzählung des Kriminalautors Nic Pizzolatto aus und über Nacht
schien die Fernsehwelt in eine Zeit vor und nach True Detective eingeteilt worden zu sein. Der Fall, den die beiden
Polizisten Rust (McConaughey) und Hart (Harrelson) zu lösen hatten, war nicht
besonders außergewöhnlich innerhalb des Genres. Aber Pizzolatto verknüpfte ihn
geschickt mit Symbolen aus dem Theaterstück The
Yellow King von Robert W. Chambers, einem wegbereitenden amerikanischen
Horrorschriftsteller. Und der Regisseur Cary Joji Fukunaga schuf aus den
Sümpfen und kaputten Kleinstädten im Süden Louisianas ein Panoptikum zwischen
Gothic und Grusel, wie man es vorher in einem Kriminalfilm noch nicht gesehen
hatte. Auch Pizzolattos Erzählweise war ungewöhnlich: Sie erfolgte auf drei Zeitebenen, 1995, 2002 und 2012, und erlaubte, die Dinge aus dem Damals und Heute zu beleuchten. So ließ sich zeigen, was ein ungelöster Fall denen antut, die verpflichtet waren, ihn aufzuklären.
Rauchend und philosophierend fuhren die True Detectives an knorrigen, mit Voodoozauber behangenen Eichen vorüber. Das war ein weiteres Distinktionsmerkmal der Serie: Mit Detective Rust (McConaughey) etablierte sie einen intellektuellen
Charakter, der in seinen Dialogzeilen das aussprach, was die Bilder andeuteten – dass die Natur nur scheinbar vom Menschen beherrscht wird und auch der Mensch
sich nur scheinbar an Gesetz und Moral gebunden fühlt.
Wieder ein Jahr später, unter dem Druck des Erfolgs und den
Erwartungen der Zuschauer, legte Pizzolatto eine zweite Staffel nach. Sie spielte
im L.A. der Gegenwart und verzichtete auf all das, was die Fans an der Serie geliebt
hatten: die Landschaftsaufnahmen, die Buddy-Cop-Erzählung (diesmal war es ein
Dreierteam mit einer Polizistin), die philosophischen Exkurse und Fukunagas Bilder.
Dass der Krimiplot stringenter war als in der ersten Staffel: geschenkt. Als
Gesamtwerk fiel True Detective 2 durch.
Ob es überhaupt eine dritte Staffel geben würde, war lange
unklar. Pizzolatto selbst gab in
seinem ersten Interview seit vier Jahren zu, er habe einfach an einer Idee geschrieben und erst auf Seite 40 des Drehbuchs gemerkt, dass daraus wieder ein True Detective werden könnte.
Ein echter True
Detective dürfte, zumindest nach der Definition vieler Fans, nicht
weniger sein als die große amerikanische Erzählung über den Kampf zwischen
Tradition und Moderne, zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Moral und
Machtstreben. Zwei Polizisten, deren Tun und Lassen Auskunft gibt, wie es um die USA bestellt ist.
Wird die neue dritte Staffel nun diesem Anspruch gerecht?
Durchaus, denn sie erzählt drei Jahrzehnte – Achtziger, Neunziger und Gegenwart – aus der Sicht eines schwarzen
Polizisten (Mahershala Ali). Und sie behandelt Themen wie Rassismus, soziale Ungerechtigkeit, Feminismus und die Veränderung der Medienlandschaft (zumindest in den ersten fünf Folgen, die vorab zu sehen waren). Atmosphärisch nähert sie sich auf fast schon unheimliche Weise dem Setting der ersten Staffel an. Manchmal
hat man den Eindruck, Pizzolatto habe einfach dieselbe Serie noch mal gedreht, nur mit anderen Darstellern und vor anderer Kulisse: Wieder fahren zwei Cops (Ali und Stephen Dorff) durch mystische Settings
(diesmal sind es die Ozarks), es wird geraucht und philosophiert, und erneut
gibt es eine zweite Zeitebene. Die Polizisten treffen sich zehn Jahre
später wieder, weil es eine neue Wendung im Fall um einen ermordeten
Jungen und seine verschwundene Schwester gibt.
Ursprünglich wollte Pizzolatto die Figur des Sergeant Wayne
Hays gar nicht mit einem schwarzen Schauspieler besetzen. Mahershala Ali (bekannt
und oscarprämiert für seine Darstellung eines Dealers in Moonlight) musste ihn erst überzeugen, ihm die Hauptrolle zu
geben. Stephen Dorff fällt nun der Part zu, der eigentlich für Ali vorgesehen war:
die des verlässlichen und gutmütigen Partners. Für die Serie ist die Umbesetzung ein großer Glücksfall,
denn Ali spielt diesen Polizisten in den drei Phasen seines Lebens absolut
beeindruckend. Es ist wirklich ein
und derselbe Mann, der diesen Sergeant Hays als 30- , 40- und 70-Jährigen darstellt.
Allein an seiner Körperhaltung und -spannung lässt sich ablesen, wie sich in
diesem Leben Ehrgeiz in Enttäuschung und Liebe in Verbitterung gewandelt hat.
Rassismus wird subtil miterzählt
Er habe, sagte Pizzolatto, gezögert, eine schwarze
Hauptfigur zu installieren, weil er keine Geschichte über Rassismus erzählen
wollte. True Detective 3 tut das
nun trotzdem, aber eher nebensächlich, so wie viele Menschen Rassismus eben auch
ganz nebenbei im Alltag erleben. Im Fall von Hays zeigt sich das darin,
dass sich die Zeugen eher an den weißen Detective wenden. Dass sie, wenn etwas
schiefgeht, es eher ihm, dem schwarzen Detective, anrechnen. Oder dass eine
Frau daran scheitert, einen afroamerikanischen Tatverdächtigen zu beschreiben: “Er war eben schwarz. So wie Sie.”
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