Darf Hartz–IV-Empfängern die Leistung gekürzt werden, wenn sie gegen gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten verstoßen? Über diese Frage berät am Dienstag das Bundesverfassungsgericht, mit einem Urteil ist allerdings erst in einigen Monaten zu rechnen. Geklagt hatte ein Arbeitsloser aus Erfurt, der vom Jobcenter eine Stelle als Lagerarbeiter angeboten bekommen hatte. Er lehnte ab, weil er lieber im Verkauf arbeiten wollte, einen Gutschein über eine Art Probepraktikum ließ er verfallen. Das Jobcenter kürzte ihm daraufhin den Regelsatz zunächst um 30 Prozent und später um 60 Prozent. Ein menschenwürdiges Existenzminimum sei bei solchen Einschnitten nicht mehr gewährleistet, monierte daraufhin das Sozialgericht in Gotha und veranlasste die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht.
Wer Hartz IV erhält, verpflichtet sich zugleich, an der Überwindung seiner Hilfebedürftigkeit mitzuwirken. Bewerbungen schreiben, Vorstellungsgespräche führen, als „zumutbar“ eingestufte Arbeit annehmen, Termine mit dem Jobcenter einhalten – all das gehört dazu. Macht ein Arbeitsloser nicht mit, drohen Sanktionen. Im schlimmsten Fall kann die komplette Leistung für drei Monate gestrichen werden, das Jobcenter kann dann Lebensmittelgutscheine gewähren.
2018 wurden mehr als 900.000 Sanktionen verhängt
Im Jahr 2018 wurden laut vorläufigen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit mehr als 900.000 Sanktionen verhängt. In den meisten Fällen hatten Arbeitslose einen Termin beim Jobcenter versäumt (gut 700.000), in der Folge wird die Leistung um zehn Prozent gekürzt. Einen Arbeitsplatz, eine Ausbildungsstelle oder eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme lehnten deutlich weniger Menschen ab, hier waren es knapp 100.000 Fälle. Unter dem Strich waren allerdings nur etwa drei Prozent der Arbeitslosen von Sanktionen betroffen, manche von ihnen mehrfach.
In der Politik wird schon seit Längerem darüber diskutiert, ob die Sanktionen bei Hartz IV angemessen oder überzogen sind. Die Linkspartei und die Grünen würden diese gerne komplett abschaffen, manch ein SPD-Linker auch. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hingegen verteidigt Sanktionen grundsätzlich, würde die bestehenden Regelungen aber gerne abmildern. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es künftig zum Beispiel keine Einschnitte mehr bei den Kosten für Miete oder Heizung. Kritiker bemängeln, dass den Betroffenen durch die komplette Kürzung der Leistung Schulden drohen oder auch das Abrutschen in Obdachlosigkeit. Außerdem fordert Arbeitsminister Heil, junge Erwachsene unter 25 Jahren nicht mehr schärfer zu bestrafen als Ältere.
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