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Eisenbahngesellschaft: Wem gehört die Rigi?

Wenn unten der Nebel wabert und oben die Sonne lockt, dann spricht man in
der Innerschweiz von einem “Rigi-Tag”. Dann strömen stündlich Hunderte von Ausflüglern und
Touristen auf den Berg am Vierwaldstättersee. Und dann wird es voll: in den Zahnradbahnen, die
von Arth-Goldau und Vitznau durchs Nebelmeer stechen, in der Luftseilbahn, die von Weggis ans
Licht schwebt. Zu voll, findet René Stettler.

Der 63-jährige Kulturwissenschaftler steht in Rigi Kaltbad auf dem Perron und wartet auf die nächste Bahn. Gemeinsam mit unzähligen Wanderern, Senioren und Familien. Er trägt eine Mütze, in den Händen Wanderstöcke, im Gesicht eine Hornbrille und eine gesunde Bräune. Sein Blick ist skeptisch. Die beiden Züge, die von Vitznau her kommen, sind besetzt. Nur mit Glück finden wir einen Platz.

Es sind Momente wie diese, die Stettler das Gefühl geben, die Rigi gehöre nicht mehr der Bevölkerung, die Erholung sucht. Sondern Gruppentouristen aus Asien und den Rigi-Bahnen, die, wie Stettler sagt, “auf Teufel komm raus” wirtschaftlich wachsen wollen mit kühnen Plänen am Berg. Eine Million Touristen sollen bald jedes Jahr auf die Kulm gekarrt werden. “Die Rigi ist völlig überlaufen vom Massentourismus“, sagt Stettler.

Seit neun Jahren lebt er in einem Holzchalet aus den 1940er-Jahren am Rande des autofreien Bergdorfs Rigi Kaltbad. Die Ruhe auf 1400 Metern über Meer, der unverstellte Blick auf die Alpen, die Abgeschiedenheit seien der perfekte Raum für kreatives Denken und freie Gedanken. “Hier zu leben ist ein Privileg”, sagt Stettler. Doch in den Jahren am Berg erlebte er eine Entwicklung, die ihn erst besorgt, dann wütend und im Sommer 2017 zu einem Aktivisten machte.

Damals hatten die Rigi-Bahnen angekündigt, dass sie bis zu 70 Millionen Franken investieren wollen: in neues Rollmaterial, den Umbau des Bahnhofs Vitznau, eine neue Gästeankunft auf Rigi Kulm sowie in den Neubau der Seilbahn von Weggis nach Rigi Kaltbad, deren Konzession heuer abläuft. Die Investitionen seien zwingend nötig, sagen die Rigi-Bahnen. Das sieht auch René Stettler so. Doch die Züge und Gondeln seien gar nicht das Problem – sondern der 300 Seiten dicke Masterplan, in dem entworfen wird, was auf der Rigi dereinst entstehen soll.

Da ist von “Erlebnisräumen” die Rede und von “Inszenierungsschwerpunkten”. Von einem historischen Bergdörfli, einer “Swiss-Shopping-Welt”, einem “begehbaren Tannzapfen-Turm”, einem “Augmented-Reality-Natur-Erlebnispfad” oder Bildschirmen, auf denen eine virtuelle Aussicht zu sehen ist; für den Fall, dass der Nebel doch einmal bis auf die Kulm kriecht und die Touristen die perfekte Sicht auf die Alpen und aufs Mittelland nicht live genießen können.

Bloß Visionen seien das, sagten die Rigi-Bahnen, keine Baugesuche. René Stettler erkannte darin den Ausverkauf des Bergs. Er startete die Petition “Nein! zu Rigi-Disney-World”. Statt ein weiteres “Freizeit-Ghetto” zu bauen, soll auf der Rigi ein sanfter Tourismus gelebt werden, in dem “lebendiges Kulturerbe” gewürdigt und “kleinregionale Eigenheiten” berücksichtigt werden. Innert Kürze sammelte er 3000 Unterschriften, darunter jene von namhaften Innerschweizer Politikern und Wirtschaftsvertretern.

Auf einem sonnigen Bänkli spricht er von seinem grünen Engagement, den Grenzen des Wachstums, von Overtourism und davon, dass er die Rigi für künftige Generationen erhalten möchte. Stettler ist ernsthaft besorgt über den Ressourcenverschleiß, die Wasserknappheit, das Littering am Berg, und er fordert eine jährliche Obergrenze von maximal 800.000 Gästen auf der Rigi. Tatsächlich nahm die Zahl der Touristen in den vergangenen Jahren stark zu: von rund 600.000 im Jahr 2013 auf 910.000 im vergangenen Jahr. So viele wie noch nie. Bald könnte die Millionengrenze geknackt werden.

Vor allem Gruppenreisende aus China und Korea sorgten für das Wachstum. Sie werden aktiv umworben von den Rigi-Bahnen, die sich einen Teil des lukrativen Asien-Geschäfts sichern wollen. Manche Touristen bleiben nur eine Stunde am Berg. Dann müssen sie weiter zum nächsten Programmpunkt ihrer hastigen Reise durch Europa.

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