/Jägerin: “Mir ist bewusst, dass ich Lebewesen töte”

Jägerin: “Mir ist bewusst, dass ich Lebewesen töte”

Bevor sie mit ihrer Ausbildung zur Jägerin beginnen durfte, musste sie ihre Eltern überzeugen. Jetzt muss sie sich von Fremden sagen lassen, sie sei eine Mörderin.

Alter:
20

Beruf:
Revierjägerin

Gehalt:
949 Euro brutto im dritten Ausbildungsjahr

Bei
meinem ersten Schuss war ich 16 Jahre alt. Ich war mit meinem Vater
auf Jagd, als ein Stück Rotwild vorbei kam. Ich war unsicher, ob ich
schießen soll, aber ich wusste, wenn ich nicht schieße, schießt er. Also drückte ich ab. Ich traf.

Das
ist jetzt vier Jahre her. Es ist toll, dass ich das jetzt beruflich
machen darf – obwohl mein Vater erst dagegen war. Das ginge nicht,
sagte er. Weil ich eine Frau bin. Fast alle in meiner Familie sind
Berufsjäger. Trotzdem waren sie dagegen, als ich beschlossen habe,
den gleichen Beruf zu lernen. Mein Vater meinte, dass ich niemanden
finden werde, der mich als Frau einstellt, und dass der Beruf für
mich körperlich zu anstrengend sei.

Zuerst
akzeptierte ich das, nach der Schule versuchte ich, etwas anderes zu
finden, das mich interessiert. Ich habe ein Praktikum bei einer Bank
gemacht und dann noch eins im Krankenhaus, aber ich habe immer etwas
vermisst: den Wald und vor allem die Tiere. Ich wollte auch nicht nur
einfach Hobbyjägerin werden. Die machen oft innerhalb von zwei
Wochen ihren Jagdschein. Ich wollte tiefer reingehen und unbedingt
die dreijährige Ausbildung machen.

Manchmal fühle ich mich, als wäre ich so ein bisschen alles: Jägerin, Schreinerin und Metzgerin.

Irgendwann
hat meine Familie verstanden, dass ich aus voller Überzeugung
Jägerin werden will, und dass das nicht nur so ein Hobby ist. Meine
Eltern haben schließlich gesagt, dass ich die Ausbildung machen
darf. Allerdings nur unter der Bedingung, dass ich mir schon vor
Ausbildungsbeginn meine beiden Ausbildungsbetriebe suche. Das machen
die wenigsten, aber als Frau steht es einfach nicht fest, dass man
zwei gute Betriebe findet. Ich denke, einige Betriebe sind einfach
noch zu konservativ, eine Frau kommt bei denen einfach nicht infrage. Ich habe schon oft von anderen Jägern gesagt bekommen:
“Frauen gehören nicht auf die Jagd.” Mich stört das nicht. Wenn
sie mit mir auf die Jagd gehen, merken sie schnell, dass ich genauso
arbeite wie sie.

Trotzdem
habe ich zwei tolle Ausbildungsbetriebe gefunden und dann haben mir auch
meine Eltern erlaubt, mit der Ausbildung anzufangen. Das war vor drei
Jahren. Dass es ungewöhnlich ist, als Frau zu jagen, merke ich
trotzdem noch. In meiner Klasse sind 23 Jungs und nur zwei Frauen.
Und in meinem aktuellen Betrieb bin ich die einzige Frau von sieben
Angestellten.

Am
Anfang wurde ich auch mehr getestet als meine Kollegen. Wenn etwas so
richtig dreckig war, musste ich das sauber machen, zum Beispiel
Planen, die nach der Winterfütterung
voll mit Matsch waren. Diese Dinge mache ich einfach – dann sehen
die, dass ich mir auch die Finger dreckig mache. Mittlerweile habe
ich mir so Respekt erarbeitet und komme in meinen
Ausbildungsbetrieben sehr gut klar. Ich werde genau wie die Männer
behandelt und mache die gleiche Arbeit wie die anderen.

Um
sieben Uhr komme ich in den Betrieb, wenn es im Sommer früher hell
wird, beginne ich auch mal um 5:30 Uhr. Zuerst gehe ich auf die Jagd.
Danach steht Verschiedenes an: Am Montag habe ich zum Beispiel zwei
erlegte Rehe küchenfertig gemacht, für den eigenen Wildladen, den
mein Betrieb hat. Dann musste die Wildkammer sauber gemacht und
desinfiziert werden. Danach bin ich wieder in den Wald gegangen, habe
die Fütterungen kontrolliert, zu denen wir aktuell die Wildschweine
locken, um sie zu bejagen. Von denen gibt es zur Zeit zu viele, sie
gehen schon in die Gärten und verursachen Wildunfälle. Und auch,
weil viele Angst haben, dass die afrikanische Schweinepest immer
näher kommt, wird uns von den Behörden gesagt, dass wir verstärkt
Wildschweine bejagen sollen. Denn wenn die Bestände geringer sind,
kann sich die Seuche nicht so schnell ausbreiten.

Sonst
stehen ganz verschiedene Dinge an: Bestände zählen, Hochsitze
bauen, Nistkästen aufhängen, Jagdhunde ausbilden, das Land pflegen,
das heißt dann zum Beispiel Flächen mähen, damit bestimmte
Pflanzen wachsen können, Wild aufbrechen, also das Stück öffnen,
die Organe herausnehmen, und das Innere reinigen oder eine große
Jagd vorbereiten. Manchmal fühle ich mich, als wäre ich so ein
bisschen alles: Jägerin, Schreinerin und Metzgerin.

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