Es ist still in dem grauen Van, der sich im dunklen, winterlichen
Weinviertel in die Kurven legt. Der Kleinbus ist mit neun Menschen bis auf den letzten Platz
belegt, gelegentlich werden ein paar Worte auf Polnisch gewechselt. Yuri, der Endzwanziger am
Steuer, fährt den Weg routiniert. Ein Navi braucht er nicht, vor fix installierten Radarfallen
entschleunigt er automatisch.
“Wir kommen gut durch, gegen Mitternacht sind wie in Wrocław”, sagt Wladyslawa Kirch. Die 69-Jährige mit den dicken Goldringen und rot lackierten Fingernägeln sitzt vorn neben dem Fahrer. Wie viele ihrer polnischen Landsleute pendelt sie seit Jahren mit ein und demselben Busunternehmen von Österreich nach Polen und zurück, die rund 535 Kilometer lange Strecke kennt sie auswendig. Mindestens alle zwei Monate fährt Kirch von Wien-Brigittenau in die Stadt, in der sie geboren wurde: das auf Deutsch Breslau genannte Wrocław, gut 632.000 Einwohner, gelegen im Südwesten des Landes. “Ich wohne seit 30 Jahren in Österreich, fühl mich aber immer noch auch in Wrocław zu Hause”, sagt sie.
Wladyslawa Kirch gehört zu den mehr als 62.000 polnischen Staatsangehörigen, die in Österreich gemeldet sind, dazu kommen laut Schätzung der Botschaft weitere 30.000 polnischstämmige Menschen. So groß die Community gerade in Wien ist, wo gut zwei Drittel der Austro-Polen wohnen, so wenig fällt sie auf.
Sie leben weitgehend unsichtbar
In der öffentlichen Debatte finden sie meist nur als Teil von “Osteuropa” statt, so wie in der Diskussion um die Kinderbeihilfe. Ab dem 1. Jänner wird die Höhe des Kindergeldes für Familien, deren Kinder im Ausland leben, an die dort üblichen Lebenshaltungskosten angepasst. Für mehr als 14.800 Minderjährige in Polen bedeutet das: Sie erhalten nur mehr die Hälfte, eine Familie mit zwei Kindern bekommt im Jahr knapp 1.500 Euro weniger.
Dabei gelten Polen als Vorzeigemigranten, fleißig und unauffällig. Genau genommen sind sie weitgehend unsichtbar: Entweder gut integriert – dann merkt man ihre Herkunft, abgesehen vom Nachnamen, kaum. Oder sie leben unter sich.
Im Kleinbus auf dem Weg Richtung Wrocław sprechen nur wenige fließend Deutsch. Auch in der Muttersprache werden Worte nur spärlich gewechselt. Gegen 18 Uhr an diesem Donnerstag sind die acht Reisenden in Wien eingestiegen, haben sich mit “Dobry dzień” begrüßt, dann dösen die meisten auf der knapp sechsstündigen Fahrt vor sich hin.
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