Gute Wünsche zum Jahresbeginn – die Akteure der
internationalen Politik nehmen sie dankbar entgegen. Woraus sonst sollten sie
Hoffnung schöpfen? 2018 war schlimm genug, müssen sie überall lesen, aber 2019
wird schrecklich. Die Apokalyptiker – Trump sei’s gedankt – haben Hochkonjunktur.
Wenn schon nicht das Abendland, dann steht doch die westlich geprägte
Weltordnung vor dem Untergang.
So schreibt der Spiegel:
“Die Welt nach Amerika ist chaotisch, beängstigend und gefährlich.” Und diese
Welt erwartet uns keineswegs erst in einer fernen Zukunft, sie hat längst
begonnen. “Denn die Welt nach Amerika ist die gegenwärtige Welt.”
Nun ist in den letzten Tagen des alten Jahres tatsächlich
einiges zusammengekommen. Die Art und Weise, wie Donald Trump den Truppenrückzug
aus Syrien und die Verringerung der militärischen Präsenz in Afghanistan
verkündet hat – gegen den Rat des Pentagons, ohne vorherige Information des
Kongresses und ohne Konsultation der Verbündeten –, war verstörend.
Verteidigungsminister James Mattis, dessen Verhältnis zum Präsidenten seit Langem zerrüttet ist, quittierte den Dienst.
Mattis’ Rücktrittsschreiben an den Präsidenten ist ein
Lehrstück, wie man in der Demokratie mit übertragener Verantwortung umgeht: “Da
Sie ein Recht auf einen Verteidigungsminister haben, dessen Ansichten (…) den
Ihren besser entsprechen, halte ich es für richtig, von meinem Posten
zurückzutreten.”
Die “checks and balances” funktionieren
Viele Beobachterinnen und Beobachter sehen nur das irre Treiben Trumps im Weißen
Haus, die Sprunghaftigkeit und Inkompetenz, das Cholerische und Ordinäre dieses
Präsidenten. Sie unterschätzen, wie viele Politiker, Beamte, Diplomaten oder
Militärs von ähnlicher Charakterstärke wie James Mattis bis auf den heutigen
Tag in der US-Regierung ihren Dienst tun.
Vor allem aber nehmen sie nicht wahr, dass die checks and
balances wirklich funktionieren. Der Kongress, in dem die Demokraten das
Abgeordnetenhaus zurückerobert haben, setzt Trump Grenzen. Der Sonderermittler
Robert Mueller, der sich bisher schon vollkommen unbeeindruckt gezeigt hat vom
Zetern des Präsidenten, bekommt nun kräftigen parlamentarischen Rückhalt. Die
Justiz und die Medien sind in den vergangenen beiden Jahren ihrer Aufgabe auf
vorbildliche Weise gerecht geworden.
Es gibt die Tweets des Donald Trump, und es gibt die
Wirklichkeit. Beides hat oft nicht viel miteinander zu tun. Als
Präsidentschaftskandidat hat Trump die Nato für “obsolet” erklärt, als
Präsident hat er die Alliierten beschimpft und beleidigt. Zugleich aber haben
die USA ihre Ausgaben für die europäische Sicherheit gesteigert; seit dem
Amtsantritt Trumps hat sich die Zahl der US-Truppen in Europa nicht
verringert, sondern erhöht.
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