Der Täter kommt aus Mittelhessen, nicht aus Moskau. Das wird nun, nach der Festnahme des
20-jährigen Schülers, der mutmaßlich hinter dem Doxing Hunderter deutscher Politiker
und Prominenter stehen soll, deutlich. Keine organisierten und
möglicherweise staatlich unterstützten Hackergruppen aus Russland, wie sie hinter
dem Hack des Bundestags 2015 vermutet werden, sind dafür verantwortlich,
dass persönliche Daten von fast 1.000 Menschen veröffentlicht wurden. Sondern
ein Einzeltäter aus Hessen, der noch bei seinen Eltern lebt.
Das vorläufige Ende des Falls
zeigt: Die Grenzen zwischen Cyberangriffen und Cybermobbing sind fließend. Und die
Gefahr für Cyberangriffe liegt auch geografisch näher, als von der Politik in
den vergangenen Jahren suggeriert wurde. Im
Fokus der Strafverfolgung dürfen deshalb nicht nur professionelle Täter aus dem In-
und Ausland stehen. Sondern alle, die im Internet mobben und hetzen.
Wie das Bundeskriminalamt am
Dienstag in
einer Pressemitteilung erklärte, sei der “computeraffine” Beschuldigte
am Montag vernommen worden, bevor er wieder freigelassen wurde. Er sei
geständig und soll alleine gehandelt haben. Es gebe keine Hinweise auf eine
Beteiligung weiterer Personen. Der 20-Jährige habe seine Taten mit “Verärgerung
über öffentliche Äußerungen der betroffenen Politiker, Journalisten und
Personen des öffentlichen Lebens” begründet. Ob zudem eine politische
Motivation vorliege, müsse eine Auswertung des Beweismaterials zeigen, sagte
ein Mitarbeiter der Zentralen Stelle für Informationstechnik im
Sicherheitsbereich (Zitis).
Ein erboster junger Mann
Sowohl der Hintergrund als auch
die Motivation des mutmaßlichen Täters kommen wenig überraschend. Schon kurz
nachdem vergangenen Freitag die Nachricht über die geleakten Daten auf Twitter
die Runde machten, vermuteten
manche hinter den Pseudonymen “Orbiter” und
“G0d” eher einen gelangweilten Teenager als professionellen Hacker.
Die Aufbereitung der Daten, die Auswahl der gedoxten Personen, die gekaperten
Accounts von YouTubern: All das ließ auf einen Täter schließen, der aus einer
Szene stammt, in der es eher um Troll-Attacken und Beleidigungen als um Spionage
und Einschüchterung politischer Gegner geht.
Schnell war ebenfalls klar, dass
die Daten kaum aus einem einzelnen Angriff stammen konnten. Ja, sie wurden
teilweise noch nicht einmal im klassischen Sinne gehackt, sondern bloß aus
öffentlichen Quellen zusammengetragen. Tatsächlich geht das Innenministerium von
50 bis 60 schweren Fällen aus, bei denen größere Datenpakete mit privaten
Dokumenten oder Fotos entwendet wurden. Wie genau der mutmaßliche Täter Zugriff
erhielt, müssen die Ermittlungen zeigen.
Die Festnahme des 20-Jährigen
zeigt ein anderes Bild als ursprünglich gedacht. Am Freitag war, auch auf ZEIT ONLINE, von einem “Hackerangriff” die Rede. Sofort wurden Parallelen
zum Bundestags-Hack aus dem Jahr 2016 gezogen: Stammen die nun veröffentlichten
Daten von dort? Ist das Regierungsnetz schon wieder löchrig? Waren es wieder die
Russen? Oder die Nordkoreaner? Gesichtslose Hackergruppen mit Namen wie “Snake”, “Uroburos” oder “Fancy Bear”, die mit komplexen Angriffen auch in gut gesicherte
Netze eindringen können?
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