Moritz blieb sitzen. Es war Erstsemesterwoche an der Deutschen Sporthochschule Köln. Am ersten Tag wurde “Wer hat schon mal?” gespielt. Dabei stellte jemand eine Frage und jeder, der halt schon mal hat, stand auf und wechselte seinen Platz. Ein Kommilitone fragte: “Wer hat schon mal was mit einem gleichgeschlechtlichen Partner gehabt?” Er schaute erwartungsvoll in die Runde, fast herausfordernd. Niemand stand auf. Auch Moritz* nicht.
Moritz, 24, ist schwul. Das war nie ein Problem. Doch jetzt studiert er Sport. Offen homophobe Situationen erlebt er zwar selten, aber er spürt jeden Tag ein seltsames Gefühl. Ein Gefühl von Auslassung, er spürt, dass die Kombination schwul und Sport in der Welt vieler seiner Kommilitonen und Kommilitoninnen einfach nicht vorkommt. Das ist neu für ihn.
Er sitzt auf einer Wiese im Kölner Grüngürtel. Er wirkt entspannt. Wenn Moritz spricht, macht er Pausen, als wäre der Gedanke da, aber noch nicht greifbar. Er erzählt von seinem Outing mit 19 in der baden-württembergischen Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist. “Das war easy”, sagt Moritz. Auch als er in Bayern Wirtschaftswissenschaften studierte, habe er immer entspannte Leute um sich gehabt, erzählt er. Jetzt in Köln ist das irgendwie anders. Ausgerechnet in Köln.
Überall männliche Stereotypen
Köln gilt als weltoffene Metropole, als eine Stadt, in der man schnell mit Menschen in Kontakt kommt, der jecke Frohsinn ist auch außerhalb der Karnevalssaison zu spüren. Und Köln hat eine der größten Schwulencommunitys Deutschlands. “Ich wollte unbedingt in Köln studieren”, sagt Moritz.
Die Sporthochschule jedoch ist ein eigener Kosmos, im Stadtteil Müngersdorf gelegen, am Rand der Stadt. Die Studierendenschaft ist relativ homogen, jung und sportbegeistert, die Sportler bleiben gerne für sich, Austausch mit anderen Kölner Unis findet wenig statt. Moritz fühlt sich nicht angekommen. Er kann nicht er selbst sein. In der Uni überlegt er eher dreimal, was er sagt und wie er sich
verhält. Wenn er mit seinem
Freundeskreis aus dem Wohnheim zusammen ist, ist alles gut. “Hier kann
ich freier sein, jeder weiß es, für niemanden ist das ein Act.” Alle in
der Gruppe studieren etwas anderes, Maschinenbau, Erneuerbare Energien,
Wirtschaftssoziologie. An der Sporthochschule weiß nur einer aus seiner
Gruppe Bescheid. Es stellt sich die Frage, wo Diskriminierung anfängt. Erst bei einem Spruch? Oder schon bei einem unwohlen Gefühl?
Freunde aus der Heimat, so erzählt er, sagten zu Moritz, dass sie sich das schon gedacht hätten. Sie und viele anderen haben Bilder im Kopf, die mit Sport verbunden werden: Im Fußball zum Beispiel Kraft, Durchsetzungsvermögen, Willensstärke und Disziplin. Allesamt männliche Stereotypen. Auch geht es im
Sport um körperliche Nähe, in Umkleiden, auf dem Spielfeld. Da vermeiden
viele ein Outing, vielleicht aus Angst.
Wenn Moritz daran denkt, sich an der Sport-Uni zu
outen, steigt ein mulmiges Gefühl in ihm auf. Er fragt sich, wie seine
Kommilitonen darauf reagieren würden. Er hat Angst davor, anders
behandelt zu werden. Für heterosexuelle Sportler sei das vielleicht
schwer nachzuvollziehen, sagt er. Viele würden das Problem nicht als
solches wahrnehmen. “Eigentlich sollte Menschen aus dem 21. Jahrhundert klar sein, dass es schwule Sportler gibt”, sagt er. Eigentlich.
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