Das White House
Correspondents’ Dinner war einmal eine glamouröse Angelegenheit. Der US-Präsident ließ
sich stets von der versammelten Presse auf den Arm nehmen, witzelte selbstironisch über
diesen und jenen Skandal. Irgendein – normalerweise linker – Komödiant führte
durch den Abend und verletzte vertragsmäßig irgendwelche Pietäten, was wiederum die Steilvorlage für die mediale Nachbereitung bildete.
2017 hingegen war die
Stimmung im Keller. Der neue Präsident hatte sich die Presse als Erzfeind auserkoren,
öffentlich über Zensur nachgedacht. Am Ende erschien ein dünnhäutiger Donald Trump erst
gar nicht zur Gala. Aber Hasan Minhaj war da. “Oder, wie ich in ein paar Wochen
heißen werde, Insasse Nummer 830287.” Ein Einwandererkind, ein Millennial, ein
Muslim, der über den amerikanischen Präsidenten herzog, dessen Einreisestopp für Muslime da gerade durch alle gerichtlichen Instanzen ging.
Fast zwei Jahre später
hat es sich Minhaj mit einem weiteren Potentaten
verdorben, allerdings auf eher unerwartete Weise. Das Königreich Saudi-Arabien hatte sich bei Netflix beschwert, eine Folge von Minhajs Sendung
Patriot Act habe gegen einen obskuren
Paragrafen der saudischen Strafordnung verstoßen. Es geht anscheinend um
die Verunglimpfung des Kronprinzen Mohammed bin Salman (oder, wie Minhaj ihn nennt: MBS), dessen Charmeoffensive 2018
über den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi ins Stocken geraten war. Das saudische Königshaus hatte nach wochenlangen Dementis die Tötung des Journalisten zwar zugegeben,
bestreitet aber weiterhin, dass der Befehl dazu von Kronprinz
bin Salman kam.
Minhaj hatte in seiner Show satirisch auf den Fall Khashoggi sowie den saudi-arabischen Militäreinsatz im Jemen angespielt.
Netflix entfernte die Folge in seinem Programm für Saudi-Arabien – oder, wie der Comedian scherzte, habe sie mal schnell im Ritz Carlton Riad
eingesperrt, in dem MBS gern unliebsame Familienmitgliedern interniere. Seitdem muss sich der Streamingdienst mit Vorwürfen auseinandersetzen, er beuge sich dem Willen autoritärer Machthaber.
Die Affäre ist auch
deshalb bizarr, weil sie die Show Patriot Act trifft, die in ihrer Kritik nicht weiter geht als die vereinte Weltpresse, die Satiriker aller Länder und der US-Senat. Wer sich die betreffende
Sendung ansieht, kann die saudi-arabische Verstimmung nur mit einer gewissen Ratlosigkeit zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise geht es aber weniger um die Show als um Hasan Minhaj selbst: Weil er explizit “als Muslim
und als Amerikaner” sprach, als jemand, dem etwas daran liegt, dass im Land der
heiligen Stätten Mekka und Medina seine Werte respektiert werden.
Minhaj ist kein Krawallmacher, seine Comedy entfaltet ihr explosives Potenzial durch
seine Person, seine Biografie. Der Sohn indischer Einwanderer wurde 1985 in Davis in Kalifornien geboren und ist damit noch mal ein
Stückchen jünger und technologieaffiner als seine Talkshowkollegen. Als Student bespielte er die Comedyclubs
von San Francisco, da muss man Witze über IPOs und Blockchain reißen
können. Er habe keine Fernsehsendung, kokettiert er, sondern eine Webserie. Genau so ging er an die MBS-Story heran: Die Verbrechen setzte er als bekannt voraus und kritisierte stattdessen, dass die
westliche Politik und Medien, insbesondere in den USA, MBS “seit Jahren mit
solchem autokratischen Scheiß durchkommen” ließen.
Seine
Karriere begann Minhaj bei der Daily Show, damals
noch unter Jon Stewart, dem Pionier der satirischen Aufbereitung amerikanischer Politik. Anders als andere Absolventen dieser Kaderschmiede wie etwa Stephen Colbert, John Oliver oder
Samantha Bee, deren Stil souverän, scharf, fast chirurgisch ist, änderte Minhaj seinen Stil als Solokünstler, nachdem er die Daily Show verließ. Anstelle des Säurebads setzt er die genau beobachtende
Umarmung.
In seinem ersten Netflix-Special Homecoming King gab er sich berührend offen und
verwundbar. Minhaj trug die Selbstironie nicht als Schild vor sich her. Er ließ die
Themen – Alltagsrassismus, das Leben als Migrantenkind in der Ära Trump – äußerst nah
an sich heran. Anders als bei seinen früheren Daily Show-Sketchen wirkte er manchmal fahrig und
nervös, nuschelte und verhedderte sich. Und irgendwie funktionierte gerade das
wunderbar: Es hatte etwas von Slam-Poetry, was er auf der Bühne vollführte. Homecoming King feierte als Ein-Mann-Stück Premiere in New York, ehe er es als Comedy in
Kalifornien noch einmal aufzeichnete.
Man sah hier einem
Drahtseiltänzer zu, der das Persönliche und das Politische spielerisch
verquickte, ohne sich je vor dem einen oder hinter dem anderen zu verstecken. Was
perfekt zur Zeit passte: Woher sollte ein indischstämmiger amerikanischer
Muslim denn in der Ära Trump die Distanz nehmen? Es ging in der aktuellen amerikanischen Politik nun mal um ihn, er war, ohne es zu wollen, Thema.
Sollte er sich da nicht zu Thema machen?
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