Imke Wübbenhorst wurde im Dezember 2018 Trainerin des BV Cloppenburg aus der Oberliga Niedersachsen. Sie ist die erste Frau, die in einer der obersten fünf deutschen Ligen eine Männermannschaft trainiert. Vorher trainierte sie die Frauen des Clubs, die in der zweiten Bundesliga spielen.
ZEIT ONLINE: Frau Wübbenhorst, manche wundern sich, dass überhaupt über Sie gesprochen wird. Sie auch?
Imke Wübbenhorst: Ich hätte zumindest nie gedacht, dass ich so einen Hype auslöse. Ich habe doch noch nichts geleistet.
ZEIT ONLINE: Na ja, Sie sind zweifache Jugend-Europameisterin, haben eine Erstligakarriere hingelegt, beim spanischen Pokalsieger gespielt, besitzen die zweithöchste Trainerlizenz und waren Cheftrainerin der Cloppenburger Frauen. Nun sind Sie die erste Trainerin eines hochklassigen deutschen Clubs.
Wübbenhorst: Das wurde ich aus der Not heraus. Der Verein hat wenig Geld, brauchte wen, und ich war eben die mit der nötigen Qualifikation. Der Rummel ist auf den ersten Blick trotzdem ungewöhnlich: Wir haben eine Kanzlerin, in Krankenhäusern haben Frauen das Sagen und bei mir in der Schule ist es auch kein Problem. Fußball ist aber die deutsche Männerdomäne schlechthin.
ZEIT ONLINE: Die letzte?
Wübbenhorst: Kann sein. Ich hatte mich auch bei anderen Männerclubs als Trainerin beworben. Man hat mir aber nicht zugehört, man hat sich noch nicht mal von meiner Qualifikation überzeugen lassen wollen. Weil ich eine Frau bin, hieß es, die kann mit Männern doch nicht umgehen. Das alte Klischee also. Es geht um viel Geld, Vereine scheuen uns Frauen. Und wenn es schiefgeht, würde ich vielleicht darauf reduziert werden, aufs Frausein.
ZEIT ONLINE: Warum machen Sie es dann? Sie sind Letzter der Liga, wahrscheinlich steigen Sie ab.
Wübbenhorst: Das Angebot konnte ich aber doch nicht ausschlagen. Mit dem HSV habe ich selbst gegen den Abstieg gespielt, abgestiegen bin ich 2014 mit dem BV Cloppenburg auch mal. Ich kenne das. Es wird aber schwer, ja. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die wegen des fehlenden Geldes auch nicht verbessert werden kann. Als Trainerin hatte ich Lust auf das Potenzial, das ich sehe.
ZEIT ONLINE: Wie haben Sie sich vorbereitet?
Wübbenhorst: Ich habe mir alle Spiele der Saison noch mal auf Video angeguckt. Wir können mit einfachen Veränderungen manches schnell verbessern: ein anderes System, eine andere Grundformation, das Pressing in der Mitte verstärken und die Bälle nach außen lenken. Sie sehen: Ich habe Ideen, noch mehr rauszuholen, obwohl sich das Spielermaterial nicht ändert. Weil ich ganz anders arbeite.
ZEIT ONLINE: Was wird anders unter Ihnen?
Wübbenhorst: Das größte verborgene Potenzial sehe ich bei der Mannschaftstaktik. Da will ich ran. Die Arbeit mit der Videoanalyse kennen die Jungs, zumindest in dem Maße, wie ich es betreibe, bislang noch nicht: Im Stadion ist eine Kamera installiert, die werde ich nutzen. Gerade für die jungen Spieler ist es wichtig, Gutes wie Schlechtes auch aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sie sollen bei mir vor allem im individualtaktischen Bereich, aber auch als Gruppe lernen. Vierzig Gegentore in bisher achtzehn Spielen ist zu viel! Um die Liga zu halten, brauchen wir sieben Siege aus zwölf Spielen, wir müssen also große und möglichst schnelle Fortschritte in diesen Bereichen machen.
ZEIT ONLINE: Zum Glück sind Sie auch noch Gymnasiallehrerin.
Wübbenhorst: Im Referendariat wurde ich darauf gedrillt, vor einer Gruppe gut und nachvollziehbar zu sprechen. Daran hapert es bei manchen Trainern, mir hilft dieses Wissen. Wobei auch klar ist: Auf dem Platz arbeitet man anders, härter, emotionaler. Zu pädagogisierend darf ich nicht sein.
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